Die Suenden der Vergangenheit
Großmutter sterben musste.
° ° °
Nico tat Gloria so furchtbar leid. Wie schrecklich musste es sein, von der einzigen Person verraten worden zu sein, die einem noch geblieben war? Die überlaufenden Tränen konnte sie nur zu gut verstehen. Es war gut, den Schmerz rauszulassen, auch wenn Nico erleichtert war, dass sie nicht schluchzte, weil dadurch nur das wunde Gefühl in der Kehle unangenehm verstärkt werden würde. Geduldig flößte Nico ihrer Patientin Schlückchen für Schlückchen ein, damit das Mittel eine schlimmere Schwellung in der Kehle verhindern konnte.
Die zarte Haut von Gloria würde böse Hämatome davontragen, doch die würden verblassen und keine Narben hinterlassen. Die Schandtat ihrer Tante aber schon.
Elende Verräterin!
Nico fühlte unbändige Wut in sich aufsteigen, so dass sie mehrmals blinzeln musste, um das Aufleuchten ihrer Augen zu verhindern. Sie wollte Gloria nicht noch mehr ängstigen, die das vielleicht mit einem erneuten Angriff verwechseln würde. Vampire hatten sich für sie bisher nur als ihre Feinde präsentiert.
Als sie Gloria eine kleine Verschnaufpause gönnte, sah sie über die Schulter zurück, um nachzusehen, was Cat und Romy mit der Gefangenen machten. Beinahe hätte sie bei dem Anblick der fliegenden Pfeile aufgeschrien, doch Romy reagierte schneller.
Mathilda wurde auf die Beine gezerrt. Sie konnte sich nicht lange aufrecht halten. Durch die Bewegung war der Schmerz in ihren Schulterblättern mehr als sie ertragen konnte. Die Pfeile mussten raus. Die kleine, rothaarige Hexe wartete wohl darauf, dass die Wunde sich um das Geschoss vollständig schoss, um sie dann herausziehen zu können. Nun denn...
Sie hielt die Luft an, schloss die Augen und konzentrierte sich. Kein Laut kam über ihre Lippen, als sich die Pfeile rasend schnell aus ihrem Fleisch zurückzogen und erneut durch die Luft schossen. Ohne Ziel. Wie ein Bumerang. Hinterrücks abgefeuert und ganz plötzlich tödlich. Mathilda öffnete die Augen wieder und lenkte die Pfeile mit einem gezielten Blick direkt auf Cat. All dies geschah binnen Sekunden und so schnell, dass niemand sie hätte aufhalten können. Allerdings hatte Mathilda nicht mit Romy gerechnet, die ihr einen schnellen Kinnhaken verpasste, der die Pfeile auf eine andere Bahn lenkte, als sie diese auf sie zuschießen sah. Ohne großen Schaden anzurichten, sausten sie an Cats Ohren vorbei, um der Wand hinter ihr stecken zu blieben.
„Mist!“ Mathilda schaffte trotzdem noch ein halbes Grinsen, obwohl sie Blut spuckte. Trotzig begegnete sie ihren Feinden und zeigte immer noch keine Spur von Angst.
„Jetzt ist wohl der Augenblick gekommen, in dem ich um mein Leben betteln muss, nicht wahr?!“
Mathilda lächelte immer noch, während ihre Bluse sich nun auf beiden Seiten mit ihrem Blut tränkte und groteske Blumen auf den weißen Stoff malte. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie Gloria ihr Gesicht an der Schulter ihrer neuen Freundin barg. Ganz so, als fürchtete sie sich vor dem, was nun geschehen würde und wozu ihre Freundinnen fähig sein könnten. Dabei gab es nichts, vor dem man sich ängstigen musste. Zumindest nicht, nachdem man Mathilda bezwungen hatte. Salama würde trotz ihrer Verfehlungen niemals dulden, dass sich ihre kleinen Nachfolgerinnen die Hände an einer Aussätzigen schmutzig machten.
„Wir sind ja noch ziemlich vorlaut, Schätzchen! Was für eine Verschwendung von Potential, Tantchen! Die Bettelei ersparst du uns lieber. Damit würdest du nur das schöne Bild zerstören“, gab Cat ungerührt zurück, nachdem sie Romy als Zeichen der Dankbarkeit kurz zugenickt hatte. Das Training entwickelte sich ja prächtig.
„Was machen wir mit ihr? Salama hat uns doch freie Hand gelassen, oder nicht?“, warf Romy fragend in den Raum, aber nur um ihre Gefangene nervös zu machen. Die wusste ja schließlich nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Die Zeiten, in denen sie das Wissen gepachtet hatte, waren lange vorbei. Sollte sie ruhig denken, dass sie eine Todesschwadron oder dergleichen waren.
Cats Augen blitzten unternehmungslustig auf, doch dann warf sie Nico und Gloria auf dem Sofa einen fast enttäuschten Blick zu. Sie hätte die Dame nur zu gern in ihre Bestandteile zerlegt, doch erstens wollte sie dem weinenden Mädchen nicht noch mehr Angst machen und zweitens würde sie damit den Fußboden ruinieren. Nicht dass sie etwas dagegen hatte, sich ein wenig im Dreck zu suhlen. Sie konnte so etwas durchaus genießen. Was Nathan
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