Die Suenden der Vergangenheit
zu finden, was sie quälte.
Kaum war er eingetreten, sprang Catalina ihm sogleich um den Hals. Sie freute sich zwar sehr, ihn zu sehen, aber das hatte nichts mit der Affectio zu tun. Heute Abend würde sie ihn auf ganz andere Art und Weise brauchen. Nathan erwiderte den Kuss, den sie ihm gab, nicht so leidenschaftlich, wie sie sich das wünschen mochte. Er brauchte einen klaren, ungetrübten Verstand.
Ihr Unmut darüber musste vorerst an ihm abperlen. Nathan war nass bis auf die Haut und hatte eigentlich nicht vorgehabt, Cat in diesem Zustand nahe zu kommen. Da sie seine Nähe allerdings genauso brauchte wie Romy die von Chryses, nickte er nur zustimmend, als sie ihn unter die Dusche und somit zum Umziehen schickte.
Was los war, konnte er ihr nicht sagen. Sie mussten warten. Darauf, dass irgendetwas geschah. Und das würde es. Draußen regnete es weiter Katzen und Hunde. Nathan atmete Catalinas Vanilleduft ein und verdrängte mit diesem den des Drecks, der an ihm klebte und den Geruch des Regens.
Ihr in dieser Stimmung nicht entgegen zu kommen, konnte man unter Umständen später bereuen. Da sie aber vielleicht selbst einsehen würde, dass er das Richtige um ihretwillen tat, ließ er sie ohne bisher ein einziges Wort gesprochen zu haben, ins Schlafzimmer gehen. Denn ohne eine Begründung für die umherschleichende Unruhe, die Cat logisch nachvollziehen konnte, würde er es nicht fertig bringen, sie zu besänftigen.
Oben in der Umkleide
Romy entspannte sich etwas in Rys’ Umarmung, ließ die wärmenden Gefühle zu, die seine Nähe und trostspendenden Worte in ihr auslösten. Ihr schien es, als hätte sie die Büchse der Pandora geöffnet, obwohl niemand sie gewarnt hatte, dass nur Leid und Verderben darin auf sie warten würden. Sie war doch nur eine Leidtragende, die wissen wollte, warum das alles geschehen war. Sie wollte es einfach verstehen!
„Oh, Rys…“ Romys Stimme erstarb, bevor sie erneut um Verzeihung bitten konnte, weil sie in ihrer Trauer nicht daran gedacht hatte, dass auch er von den Ereignissen betroffen sein würde.
Immerhin hatte er ihren Vater besser als sie gekannt. Er sprach nicht viel darüber, aber die gefallenen Andeutungen kamen ihr wieder zu Bewusstsein. Rys hatte mit großer Zuneigung von Malakai gesprochen. Und ihre Mutter war irgendwie Schuld an seinem Tod, das spürte sie genau, auch wenn sie nicht wusste, was nach dieser schrecklichen Entdeckung passiert war. War er an unerträglichem Liebeskummer gestorben? Das klang ziemlich übertrieben, immerhin war er ein unsterblicher Immaculate, ein ehemals mächtiger Krieger.
Es musste doch einen Grund geben, warum sie verloren gegangen waren. Malakai hätte sie doch niemals im Stich gelassen, wenn er gewusst hätte, dass sie noch am Leben waren. Romy strengte sich an, die verdrängten Erinnerungen klarer zu machen, doch die Zeit nach dem Brand lag irgendwie im Dunkeln. Sie war wohl zu geschockt gewesen, um sich jemandem mitzuteilen. Oder doch nicht?
Ich will zu Papi!
Man hatte ihr natürlich nicht geglaubt, da man Marga für ein leichtlebiges Frauenzimmer hielt. Es gab keinerlei Hinweise auf einen Vater, der sich angeblich um die Kinder gekümmert hatte. Man schrieb ihr eine rege Fantasie zu, weil sie sich einen Vater wünschte. Und er kam ja auch nie, um nach ihr zu suchen. Es war nicht schwer, den Widerstand einer Vierjährigen zu brechen, die sich plötzlich ihrer sicheren Welt beraubt sah. Romy hob das tränenüberströmte Gesicht zu Rys an und sah voll verzweifelter Liebe zu ihm auf. Sie spürte, dass er mit ihr litt. Das war keine Wunschvorstellung, er tat es wirklich. Und er blieb hier bei ihr, auch wenn er nicht der Typ Mann war, der gerne mit heulenden Frauen konfrontiert wurde. Sie schämte sich jedoch nicht für die Tränen, die sie über den Verlust ihres Vaters vergoss. Es fühlte sich schmerzhaft und doch erlösend an, sich nicht gegen die Trauer abzuschotten, wie sie das sonst immer getan hatte.
„Ich weiß nicht, ob ich mit Cat darüber reden soll… Oder mit dir… Es steht nichts darüber in Malakais Chronik, das bedeutet, dass weder du noch dein Bruder Näheres über die Ereignisse von damals wisst…“
Sie hob die Hand und legte sie ihm auf die feuchte Wange, wo sie schon einen Bartschatten erahnen konnte. Sollte sie wirklich die Vergangenheit aufrühren?
„Ich glaube, ich werde es sagen müssen … Es ist ja nicht ihre Schuld. Wenn dann muss ich sie bei Marga suchen, die immer weniger verstehe, je mehr ich
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