Die Suenden der Vergangenheit
nur noch dich!“, herrschte sie das Mädchen an, dessen Augen angsterfüllt aufgerissen waren.
Ihre kleinen Händchen umspannten das provisorische Seil und dann ließ die Mutter sie herunter. Die Kleine war mit einem Mal völlig ruhig geworden und regte sich nicht, bis sie mit den Fußspitzen den Boden berührte und dann unsanft auf ihren Hintern fiel, weil der eine Knoten sich löste.
Die Mutter griff nach ihrem Baby, wobei sie schwer husten musste, weil der Rauch sich langsam im ganzen Haus ausbreitete und das winzige Fenster nicht genug Luft ins Zimmer eindringen ließ. Es war vollkommen windstill. Kurz dachte sie an ihre Eltern, doch für sie würde wohl jede Hilfe zu spät kommen.
„Romana… Fang sie auf! Lass sie ja nicht aus den Augen! Es ist keine Zeit mehr!“, rief sie ihrer Tochter zu und lehnte sich weit aus dem Fenster, um das Baby in die ausgestreckten Arme der Tochter fallen zu lassen, die unter der Wucht des Sturzes wieder zu Boden ging. Aber sie ließ trotz des Schmerzes in ihren kleinen Ärmchen nicht los. Stundenlang hielt sie ihre Schwester fest an ihre Brust gedrückt, obwohl die Mutter sie wegschickte, sie sollte durch den Zaun hindurch schlüpfen und sich bei den Nachbarn verstecken, bis Hilfe kam.
„LAUF!“, zischte sie ihr zu.
Sie starrte auf ihre Kinder herunter und wandte dann den Kopf in Richtung Tür, wo die teuflischen Flammen schon am Türblatt leckten. Sie sprangen über und die gestärkte Wäsche fing so schnell Feuer, dass die Hitze in dem Raum beinahe unerträglich wurde.
Ich bin eine Hure des Teufels und verdiene den Tod in den Flammen!
Sie löste den Blick von den Mädchen und sah hinauf in den nächtlichen Himmel, wo der Mond schien und sie mit einer grausamen Fratze auszulachen schien. Ihre Augen leuchteten wild auf, sie lachte einfach zurück und hob die Hände gen Himmel, um sich dann einfach rückwärts in die Flammen fallen zu lassen, die sie eben erreicht hatten.
Nico stöhnte schmerzerfüllt auf, als sie hart auf dem Boden aufkam, ohne den Sturz in irgendeiner Weise abzumildern, und sich dabei den Hinterkopf stieß. Sie riss die Augen weit auf, doch die Flammen waren verschwunden. Sie war so erleichtert, dass sie kraftlos liegen blieb und befreite Atemzüge nahm, die sie gierig in die Lunge zog. Sie verstand noch gar nicht, dass sie nicht selbst eben diese schreckliche Nacht durchgemacht hatte. Verwirrt stellte sie fest, dass es im Zimmer schwer nach Zimt duftete. Träumte sie immer noch? War alles nur ein böser Traum?
Sie drehte sich auf die Seite und stemmte sich dann auf Hände und Knien hoch, um zum Bett zu kriechen, wo sie den Kopf auf der Matratze ablegte und die Augen schloss. Sie wollte sich ein bisschen ausruhen, um dann Klarheit in das Chaos in ihrem Kopf zu bringen. Selbst ihr Körper spielte verrückt, weil fremde Empfindungen durch sie hindurch geschossen waren.
Sie versuchte, sich irgendwie auf Romy zu konzentrieren, die wohl der Auslöser für all diese Visionen war, doch Sekunden später krallten sich ihre Hände in das zerknautschte Laken am Bettende und sie stöhnte gequält auf, als eine neue Welle von Bildern über sie hinweg rollte.
Der Schrei, der verzweifelte Schrei!
Nico sah den dunkel gewandeten Mann im Regen stehen und seinen Schmerz hinaus rufen, den sie nur zu gut nachvollziehen konnte. Sie hatte auf ihn gewartet und er war nicht gekommen…
Er fiel auf die Knie, raufte sich die Haare und schrie nach Frau und Kindern, bis er beinahe heiser war. Nico fühlte sich magnetisch von ihm angezogen, doch bevor sie ihn erreichen konnte, war er in die Höhe geschossen, vom Boden abgehoben, direkt in den nächtlichen Himmel durch den strömenden Regen hindurch, wo er sich dann plötzlich in Nichts auflöste.
„Malakai, warte!“, rief Nico ihm hinterher, doch es hatte natürlich keinen Sinn, weil es Geschehnisse aus der Vergangenheit waren, auf die sie nun keinen Einfluss mehr nehmen konnte, so sehr sie das auch wünschen würde.
Nico vergrub das erhitzte Gesicht in den Laken und musste den nächsten Ansturm einfach über sich ergehen lassen. Es würde nur schlimmer werden, wenn sie sich wehrte. Sie sah die Bilder wohl, weil sie Malakai kannte und sich ihm irgendwie nah fühlte, auch wenn sie ihn erst nach seinem Tod kennen gelernt hatte. Alles, was sie bisher von ihm erfahren hatte, traf sie mitten ins Herz und sie wünschte sich, Romy könnte das alles sehen, auch wenn es sie zerreißen würde, weil der erlittene Verlust ungleich
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