Die Sünden des Highlanders
ihm die Wahrheit sagte, nämlich, dass ihr Schicksal nicht immer in ihren Händen lag.
»Glaubst du, dass der Mann William wirklich umgebracht hat?«
Walin würgte an seinen Tränen, und auch sie selbst hätte am liebsten geweint. Doch sie rieb ihm nur sanft über seinen schmalen Rücken und erwiderte mit möglichst ruhiger Stimme: »Ich weiß es nicht, Liebling. Das finden wir heraus, wenn wir wieder zu Hause sind. Wenn der Mann unseren William getötet hat, dann ist der Kater als Held gestorben. Er hat die Frau angegriffen, und als der Mann ihr helfen wollte, konnte ich fliehen. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, was mit uns passiert wäre, wenn William mir diese Gelegenheit nicht verschafft hätte.«
»Wenn William tot ist, begraben wir ihn im Garten. Er liebte unseren Garten.«
»Jawohl. Und wir werden für unseren tapferen Kater ein sehr schönes Begräbnis ausrichten.«
»Und sein Grab schmücken.«
»Aye. Aber jetzt mach die Augen zu, Schätzchen. Ich halte Wache.«
»Ich muss zuerst noch beten.«
Sie presste Walin an sich, während er sein Gebet flüsterte. Dass er heute Abend schon gebetet hatte, sagte sie ihm nicht. Als er Gott bat, William leben zu lassen oder ihm zumindest im Himmel einen schönen Garten zum Streunen zu geben, musste sie ein wenig lächeln, doch es stimmte sie auch sehr traurig. Sie fand es schön, dass Walin die Katzen als seine Freunde betrachtete. Traurig war nur, dass ein Kater Walins bester Freund war und es keine Kinder gab, die mit dem Jungen spielen wollten. Keine Mutter wollte den Bastard einer Hexe in die Nähe ihrer Kinder lassen. Nach dem ersten Mal, als ihr Walin weinend erzählt hatte, dass eine Mutter ihre Kinder von ihm weggezerrt hatte, als hätte er die Pest, hatte Morainn ihn immer bei Nora gelassen, wenn sie ins Dorf musste; doch im Hause der Chisholms gab es keine Kinder. Es war ein trauriges Leben für ein Kind, aber sie wusste nicht, wie sie es hätte ändern können.
Morainn wunderte sich nicht, als Walin gleich nach seinem Gebet einschlief. Zu gern hätte sie sich wie er in einen gnädigen Schlaf und einen schönen Traum geflüchtet, aber leider waren ihre Träume manchmal sehr düster. Die Angst um ihrer beider Leben, die Hatz durch den Wald und das Finden eines Verstecks hatten sie sehr viel Kraft gekostet. Dennoch durfte sie jetzt nicht schlafen, und das nicht nur aus Angst, dass ein wildes Tier sie aufstöbern konnte; denn das hielt sie für höchst unwahrscheinlich. Nein, es war vor allem wegen der Frau. Vielleicht hatte sie es doch noch geschafft, ihren riesigen Gefährten dazu zu bewegen, sie und Walin mit dem Hund zu verfolgen.
Am schlimmsten war natürlich, dass sie sich in ihrem Häuschen nicht mehr sicher fühlen konnte. Das mörderische Paar wusste, wo sie lebte. Es wusste, wie man ins Haus gelangen konnte – und die Frau wollte sie unbedingt tot sehen. Morainn sah nur eine Möglichkeit, um sich sicher zu fühlen: Sie musste ihr Haus verlassen und sich ein Versteck suchen, bis die Mörder erwischt und gehängt wurden. Das verbot ihr zwar ihr Stolz, er forderte sie vielmehr auf, sich zu behaupten, aber sie ließ ihn außer Acht. Schließlich musste sie auch für Walins Sicherheit Sorge tragen.
Das Problem war nur – wohin sollten sie gehen? Da sie wusste, dass Mörder hinter ihr her waren, konnte sie weder Nora noch ihre wenigen anderen Freunde um Beistand bitten. Wenn sie ihr halfen, wären vielleicht auch sie gefährdet. Nein, so wollte sie keine Freundschaft entgelten. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie den Mann um Schutz und Hilfe bitten sollte, der das Häuschen und das dazugehörende Land an sie verpachtet hatte, doch dann verwarf sie auch diesen Einfall. Sir Adam Kerr war sehr freundlich zu ihr gewesen, als man sie als Kind in die Kälte verstoßen hatte, aber sie glaubte nicht, dass es ihm recht wäre, wenn sie und ein kleiner Junge sich bei ihm einnisteten. Außerdem ging das Gerücht, er wäre sogar noch ein größerer Lüstling als Sir Tormand.
Vielleicht sollte sie Sir Tormand und Sir Simon um Hilfe bitten? Schließlich hatten sie ja auch um ihre Hilfe gebeten. Es wäre also weder unbillig, noch hätte es etwas mit Wohltätigkeit zu tun, gegen die sich ihr Stolz so wehrte. Nur leider würde sie dann dem Mann sehr nahe rücken, der Gefühle in ihr geweckt hatte, die sie noch nie gespürt hatte. Er führte sie in Versuchung, und dieser Versuchung würde sie weitaus leichter widerstehen können, wenn sie nicht in
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