Die Sünden des Highlanders
auf ihr Bett. Wenn ihre Visionen zutrafen, würde sie gleich eine Frau und einen sehr großen Mann erblicken, die sie umbringen wollten.
Sie dachte an Walin, und obwohl ihre Angst wuchs, spürte sie auch eine kühle Entschlossenheit und Stärke in ihrem Innern. Sie wusste, dass diese Bestien Walin, wenn er aufwachte, umbringen würden, ohne einen Gedanken an das unschuldige Leben zu verschwenden, dem sie ein Ende bereiten würden. Mit ein bisschen Glück und der nötigen Schnelligkeit konnte sie vielleicht an ihnen vorbeistürzen, Walin packen und fliehen. Im Freien kannte sie ein Dutzend Orte, an denen sie sich verstecken konnten, bis die Mörder die Jagd aufgaben. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihr die Flucht gelingen möge, und sei es auch nur Walin zuliebe.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und die Stimme aus ihren Träumen zischte: »Leise, du Narr!«
»Das ist nicht nötig, M’lady«, meinte der Mann, der auf der Schwelle stand. »Sie ist bestimmt schon wach, sie muss uns gehört haben.«
Morainn fluchte auf die Schatten in ihrem Zimmer, die sie davon abhielten, diese Leute deutlicher zu sehen. Neben dem Mann tauchte eine Frau auf, sie wirkte winzig und zart neben seiner massigen Gestalt. In ihrer eleganten kleinen Hand blitzte ein Messer auf. Mein Messer ist größer, dachte Morainn. Fieberhaft überlegte sie, auf welchen der beiden Eindringlinge sie sich zuerst stürzen sollte. Ihre Augen rieten ihr, sich auf den Mann zu konzentrieren und ihn zu verletzen, um Zeit für die Flucht zu gewinnen; doch ihr Instinkt sagte ihr, dass dies eine schlechte Wahl wäre. Wahrscheinlich war es besser, auf die Frau loszugehen, denn dann würde der große Kerl versuchen, dem mörderischen Weib zu helfen. Dabei würde er die Tür freigeben, und Morainn hätte die Chance hinauszukommen.
Doch William traf die Entscheidung vor ihr. Zu Morainns Überraschung stieß der Kater einen grässlichen Schrei aus und setzte zum Sprung an. Und zwar nicht auf den Mann, wie Morainn erwartet hätte, sondern direkt auf die Frau. Das Weib schrie, als William auf ihrem Kopf landete, ein sich windendes, kratzendes, fauchendes Bündel Wut. Der Mann schickte sich sogleich an, der Frau zu helfen, die herumstolperte, als könne sie vor dem Tier davonlaufen, das ihr Kopf und Gesicht zerkratzte. Morainn stürmte zur Tür. Als eine große Hand nach ihr griff, stach sie mit ihrem Messer zu, rannte aber gleich weiter. Ein lauter Fluch sagte ihr, dass sie den Kerl verletzt hatte.
Walin stand schlaftrunken an der Tür zu seinem Kämmerchen. Morainn packte ihn und schob ihn zur Treppe. »Renn weg, versteck dich!«, befahl sie.
Der Junge gehorchte sofort, offenbar war er wach genug, um zu wissen, dass sie in Gefahr schwebten und die Gefahr von dem ausging, was in Morainns Schlafkammer so viel Aufruhr verursachte. Morainn folgte ihm eilig.
Der harte, schmerzhafte Griff einer großen, starken Hand um ihren Nacken riss sie zurück. Morainn drehte sich um und stieß erneut mit ihrem Messer zu. Diesmal wusste sie auch ohne den Schmerzensschrei, dass sie den großen Kerl erwischt hatte. Das Messer war auf Widerstand gestoßen, als es ins Fleisch schnitt, und nicht durch die Luft. Der Mann schlug nach ihr. Morainn geriet ins Taumeln und stürzte die Treppe hinunter, Walin beinahe mit sich reißend.
Am liebsten wäre sie liegen geblieben und hätte über all die Schmerzen und Blutergüsse gejammert, die sie davongetragen hatte, aber dafür war jetzt keine Zeit. Hastig sprang sie auf und folgte Walin hinaus in den Wald. Dort gab es eine Reihe von Verstecken, die sie schon vor langer Zeit ausgekundschaftet hatte.
»Wer sind diese Leute?«, fragte Walin mit zittriger Stimme, als er sich tief in eine Höhle unter den Wurzeln eines uralten Baumes kauerte.
Morainn drückte sich in den kleinen Raum neben den Jungen. Heftig atmend flüsterte sie: »Es sind Mörder, mein Kleiner. Sei jetzt ganz still, vielleicht verfolgen sie uns.«
Das Versteck war zwar nicht das beste, was Morainn im Lauf der Zeit entdeckt hatte, aber Walins und auch ihre Kräfte hätten wohl nicht mehr viel weiter gereicht.
Sie verstand nicht, warum diese Leute es auf sie abgesehen hatten. Offenbar wollten sie ihr dasselbe antun wie den anderen Frauen, die sie umgebracht hatten. Aber sie war nie Tormands Geliebte gewesen. Bis zu dem Tag, an dem Isabella Redmonds Leiche entdeckt worden war, hatte sie den Mann nur in ihren Träumen gesehen. Sie hatten kaum ein Wort oder einen
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