Die Sünden des Highlanders
mir anstellen würden, wenn sie mich solche Dinge sagen hörten, will ich mir allerdings lieber nicht vorstellen.«
»Na ja, zumindest hast du so viel Grips unter deinem dichten Haarschopf. Da ich heute Morgen so beschäftigt war, mit Simon zu streiten, habe ich ganz vergessen zu fragen, ob ihr gestern Nacht bei euren Streifzügen durch den Ort noch etwas Interessantes erfahren habt.«
»Nein, sonst hätte ich es dir schon berichtet. Bis auf viel Ale und ein paar willige Mädchen ist uns nichts weiter begegnet.«
Doch Harcourt wich seinem Blick aus, was in Tormand die schlimmsten Befürchtungen weckte. »Harcourt, du warst schon immer ein schlechter Lügner. Was hast du gehört?«
Harcourt seufzte. »Gerede, nichts weiter, nur törichtes Gerede. Wir haben ein paar Narren zurechtgestutzt, und dann haben wir uns noch mit ein paar süßen Mädchen vergnügt. Die hübsche Jennie wünscht dir das Beste.« Er zwinkerte. »Und ihr Bestes war wirklich sehr gut.«
Tormand unterdrückte einen Fluch. Harcourt brauchte gar nicht zu wiederholen, was man über ihn in den Tavernen und Schenken sagte. Das konnte er sich schon denken. Das Flüstern, mit dem er als Mörder bezeichnet wurde, wurde immer lauter und verbreitete sich wie die Pest im Ort. Ihm war klar, dass viele Leute ihn als Sünder bezeichneten, als Mann, der nicht in der Lage war, den Versuchungen des Fleisches zu widerstehen. Aber wie so etwas die Leute dazu bringen konnte, ihm zuzutrauen, dass er Frauen abschlachtete, verstand er einfach nicht.
Beinahe hätte er seinen Bruder doch gefragt, was denn über ihn geredet wurde, als Morainns Häuschen in Sicht kam. Die Tür stand weit offen. Es konnte natürlich bedeuten, dass Morainn nur vergessen hatte, sie zu schließen, aber trotzdem befürchtete er sofort das Schlimmste. Unwillkürlich gab er seinem Pferd die Sporen. Er hörte nur noch einen Chor überraschter Flüche hinter sich, dann spornten seine Verwandten ihre Pferde ebenfalls an und folgten ihm.
Noch bevor er sein Pferd zum Stehen gebracht hatte, sprang er aus dem Sattel und wollte ins Haus stürmen, blieb dann jedoch wie angewurzelt an der Schwelle stehen. Auf dem glatten weißen Stein war ein Blutfleck. Einerseits wäre er am liebsten weitergestürmt und hätte nach Morainn gerufen, andererseits fürchtete er sich vor dem, was ihn dort drinnen womöglich erwartete. Also blieb er einfach stehen. Simon eilte an ihm vorbei und durchsuchte das Häuschen. Tormand war froh, dass keiner seiner Verwandten Simon folgte. Immerhin ließ ihn das nicht so feige erscheinen, wie er sich fühlte.
»Sie ist nicht da«, sagte Simon, als er wieder heraustrat. »Und der Junge auch nicht. In der Schlafkammer sind Blutspritzer, aber nicht sehr viele.«
»In den Schlafkammern der anderen Frauen war auch nicht viel Blut«, gab Tormand zu bedenken.
»Glaubst du, dass die Mörder Morainn geholt haben? Ich kann mir nicht recht erklären, wie es dazu hätte kommen sollen. Sie ist nicht deine Geliebte, und sie war es auch nie. Ihr habt euch ja erst vor Kurzem kennengelernt.«
»Vor dem Haus, in dem Isabellas Leiche gefunden wurde. Vielleicht befanden sich die Mörder in der Schar der Neugierigen und haben uns beobachtet.«
»Möglicherweise. Aber wo ist dann Morainns Leiche? Sie holen die Frauen in der Nacht und legen sie vor Sonnenaufgang wieder in ihre Betten. Das haben wir zwar nie mit eigenen Augen gesehen, aber ich bin mir sicher, dass sie so verfahren, und du doch auch.«
»Das stimmt, so sind sie wohl bislang vorgegangen.«
»Also, mein Freund – wo ist ihre Leiche?«
»Warum fragst du sie das nicht selbst?«, schlug Harcourt vor und deutete auf den Waldrand. Und tatsächlich – soeben waren Walin und Morainn aus dem Wald getreten und liefen auf sie zu, quicklebendig und offenkundig auch unversehrt.
Vor Erleichterung wurden Tormands Knie ganz schwach. Doch dann sah er, dass die beiden noch ihre Nachtgewänder trugen. Er blickte noch einmal auf den Blutfleck am Boden. Bestimmt war etwas Schlimmes passiert. Diese Gewissheit verstärkte sich, als ihm auffiel, dass Morainn ein sehr großes Messer in der Hand hielt.
Tormand wartete darauf, dass einer seiner Verwandten etwas sagte, denn er hatte Angst vor dem, was er sagen würde, wenn er jetzt den Mund aufmachte. Doch seine Verwandten und auch Simon blieben stumm. Morainn wirkte etwas bestürzt und verlegen, als sie vor sie trat, sagte jedoch ebenfalls nichts. Offenbar wartete jeder darauf, dass der andere den Anfang
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