Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
lachte, oder ihr forscher, energischer Gang, als könne nichts sie aufhalten. Überhaupt ihr Selbstbewusstsein, der Eindruck, dass sie sich ihres Platzes in der Welt gewiss schien, während wir anderen nur so taten, als ob.
Meine übliche Taktik funktionierte bei ihr nicht. Laura schien mich überhaupt nicht wahrzunehmen. Dafür war ich mir meiner Kleider aus zweiter Hand und meines schäbigen Studentenzimmers um so deutlicher bewusst. Wenn ich bei ihr eine Chance haben wollte, musste ich mich ganz neu erfinden. Also freundete ich mich mit Michael an, um auf diesem Wege an sie heranzukommen. Ich wurde einige Male von den Condells zum Abendessen eingeladen und saß Laura bei Tisch gegenüber, würdigte sie indes keines Blickes. Stattdessen gab ich vor, ihrer Mutter gebannt an den Lippen zu hängen, und heuchelte Interesse an den Rhododendren ihres Vaters. Diskrete Fragen nach meiner Familie wehrte ich geschickt ab, indem ich Andeutungen über einen Vater fallen ließ, der in wichtigen, doch nicht näher benannten Geschäften durch die Welt reiste. Beiläufig erwähnte ich auch einen Landsitz, der wohl eines Tages an mich fallen könnte. Ich gab mich so unverbindlich und unergründlich, dass schließlich von weiteren Fragen abgesehen wurde. Trotzdem schenkte Laura mir noch immer keine Beachtung.
Also änderte ich meine Taktik und begann, ihr doch etwas Aufmerksamkeit zu widmen. Ich zeigte mich an ihrem Studium interessiert, bot ihr Hilfe bei den Hausarbeiten an und lud sie ein, mal was mit uns trinken zu gehen. Manchmal versuchte ich auch ganz diskret, Michael über sie auszufragen, der jedoch immer etwas verschnupft reagierte. War wahrscheinlich eifersüchtig, dass ich mich für sie interessierte. Michael war stockschwul. Nicht, dass er es jemals erwähnt oder zugegeben hätte. Später dann, in Frankreich, habe ich versucht, ihm das auszutreiben. Damals wussten wir noch nicht, dass so etwas gar nicht möglich ist. Oder vielleicht wussten wir es und wollten es nur nicht wahrhaben. Michael mochte mich, und mir hat es nichts ausgemacht. Er war mir nützlich. Ich mochte ihn ebenfalls, wenn auch nicht auf die Weise, die ihm vorschwebte. Wie auch immer, als ihr Bruder brachte er mich Laura näher, auch wenn sie noch immer gegen jede meiner Verführungsstrategien immun schien.
Angeregt durch die Lektüre von Rostands Cyrano de Bergerac , den wir damals gerade durchnahmen, beschloss ich schließlich, ihr einen Brief zu schreiben. Sie sehen, ich kann durchaus schreiben! Ich kann es wirklich, auch wenn ich gestehen muss, den Brief sieben Mal überarbeitet zu haben, ehe ich ihn losschickte. Von diesem Brief gab es mehr Fassungen als von meinen Büchern. Es gab sehr blumige Varianten, dann eine ausgesprochen schreckliche Keats-Imitation in Versen, einen weiteren Versuch, der mit einem Sonett von Shakespeare schloss, bis ich mich am Ende entschied, ihr einfach meine Gefühle zu gestehen. Ich schrieb ihr, wie schön ich sie fand, dass sie mich zum Lächeln brachte und ich hoffte, sie eines Tages zum Essen ausführen zu dürfen. Von allem, was ich jemals geschrieben habe, ist es dieser Brief, der mich am meisten mit Stolz erfüllt. Ein eher kurzer Text, doch ehrlich.
Zwei Tage, nachdem ich den Brief abgeschickt hatte, wartete Laura vor dem Vorlesungssaal auf mich. Sie hakte sich bei mir unter, schlang ihren roten Schal um uns beide und gab mir einen keuschen Kuss auf die Wange. Da habe ich mich, glaube ich, in sie verliebt. Wenn dieses wohlige, berauschende Gefühl denn Liebe ist.
Unsere Annäherung ging langsam vonstatten, ganz sachte, behutsam und wunderbar. Ich ließ Laura das Tempo vorgeben, war ich in praktischer Hinsicht doch viel zu sehr damit befasst, ihre Neugier von meiner Vergangenheit abzulenken. Ich erzählte ihr, bei einer strengen Tante zu leben, was es leider unmöglich mache, Besuch zu empfangen. Doch Laura war ohnehin nicht an meinem Zuhause, meiner Vergangenheit, meinen Eltern interessiert. Seit sie entschieden hatte, dass wir beide ein Paar wären, war sie an mir interessiert. Nur an mir. Binnen weniger Monate galten wir als das glückliche Paar schlechthin, und ich sonnte mich in dem Licht, das sie auf mich warf. Jetzt war ich nicht mehr der arme Junge mit den abgelegten Kleidern, der immer nur versuchte, einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Als wir schließlich miteinander schliefen, war es ganz anders als all meine vorherigen Erfahrungen. Es geschah an einem Nachmittag Anfang März im Haus ihrer Eltern.
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