Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
meiner Affären auf die Schliche gekommen wäre. Für gewöhnlich reagierte sie mit Tränen, einigen Tagen eisigen Schweigens, Vorwürfen und Anschuldigungen und einem einmonatigen Exil im Gästezimmer, bis ich ihr versprach, das Weibsstück sausen zu lassen und es nie wieder zu tun. Hier jedoch war die Lage eine andere. Alice hatte Moya stets für eine Freundin gehalten, und die Sache lief seit Jahren, nicht nur meine üblichen zehn Wochen. Als ich vorsichtig das Thema Moya zur Sprache brachte, meinte sie aber nur, wie schwer es für Con sein müsse und dass sie hoffe, Moya werde ihr Glück finden. Ich wusste ihre Stimmung schlecht einzuschätzen; irgendwie war sie anders als sonst. Sie strahlte auf einmal ein Selbstvertrauen aus, dem ich nicht so ganz über den Weg traute. Vielleicht wusste sie ja von meiner Affäre und war einfach nur froh, dass Moya endgültig von der Bildfläche verschwunden war. Das Fehlen ihrer Konkurrentin erklärte vielleicht Alices neue Sicherheit. Oder aber sie hatte das Gefühl, den Kampf gegen Moya endlich gewonnen zu haben. Diese Erklärungen schienen mir vernünftig. Aber wie sehr sollte ich mich täuschen.
Vier Tage nach ihrer Rückkehr, an diesem unwirtlichen Novemberabend, bereitete Alice uns dann jenes köstliche Mahl zu und sprach bis zum Dessert kein einziges Wort.
»Hast du dieses Rezept auch bei deinem Kochkursus gelernt?«, fragte ich betont beiläufig.
»Gut, dass du das erwähnst. Es war eine unglaublich interessante Zeit. Du hast mich übrigens nie gefragt, wohin genau wir gefahren sind. Warte, ich zeige dir die Broschüre.«
Mein Blick fiel auf das Wort »Clochamps«, noch ehe ich das Bild des Châteaus sah. Es verschlug mir die Sprache vor Entsetzen.
»Madame Véronique erinnert sich sehr gut an dich.«
Noch immer brachte ich kein Wort heraus. Alice stand auf, nahm mir die Gabel aus der Hand und beugte sich über mich, bis ihr Gesicht das meine fast berührte.
»Du bist ein Lügner, ein Betrüger und ein Dieb!«
Da habe ich zugeschlagen; es schien mir die natürlichste Sache der Welt.
Ironie des Schicksals: Als Alice meine eigentliche Täuschung entdeckte, arbeitete ich längst an einem eigenen Buch. Das erste tatsächlich von mir verfasste. Und es war alles andere als ein Kinderbuch, vielmehr eine düstere Geschichte über Verlassenheit und Vernachlässigung, Trauer, Verzweiflung und verlorene Kinder. Der Plot war lose angelehnt an die Geschichte von Kain und Abel. Was mich wohl auf diese Idee gebracht hat?
Mein Gott, ist Schreiben langweilig. Anzufangen war das Schlimmste, und mittlerweile habe ich fast fünf Jahre damit zugebracht, sechzig Seiten zu Papier zu bringen. Die letzten fünfundzwanzig Jahre brauchte ich nur zu übersetzen und dann meinen findigen Thesaurus so lange die Worte drehen und wenden lassen, bis dem Text alles Französische abhandengekommen war. Auch das war harte Arbeit und bedurfte einigen Geschicks. Doch wie sich nun zeigt, bin ich nicht gerade zum Schreiben berufen. Als Vincent Dax gab ich regelmäßig Interviews, in denen ich behauptete, dass die Bücher über den Prinzen von Solarand sich praktisch wie von selbst geschrieben hätten. Mein kleiner Insiderwitz. Jetzt, wo ich es tatsächlich mit dem Schreiben versucht habe, kann ich verstehen, warum andere Autoren sich damals über meine Äußerungen aufgeregt haben. Na ja, ich wundere mich ehrlich gesagt auch über die ihren.
»Ich wurde zum Schreiben geboren!«, heißt es dann etwa. Oder: »Ich könnte gar nichts anderes!« Traurig, wirklich traurig.
Hätte jemand sich nur ein wenig Mühe gegeben, so hätte man unschwer feststellen können, dass ich dem alten Herrn mit meinen Büchern durchaus Tribut gezollt hatte. Sein Name war Vincent d’Aigse.
Ich hatte meine Frau immer für eine kleine Maus gehalten, doch nun fuhr sie die Krallen aus und war von einer geradezu katzenhaften Arroganz, die ich nicht von ihr kannte. Als ich von meiner kleinen Stippvisite im Nash’s zurückkam, sah ich, dass sie das Schloss der Holzschatulle aufgebrochen und die ledergebundenen Bücher vor sich auf dem Küchentisch ausgebreitet hatte. Ihr Koffer, eben erst nach der Rückkehr von der französischen Kochschule ausgepackt, stand neben ihr. Aha, sie wollte mich also verlassen. Gut, kein Problem. Dann geh doch.
Ganz ruhig ließ sie mich wissen, dass der Koffer für mich gepackt sei, dass sie die Bücher Madame Véronique zurückgeben werde und dass ich ihr Haus auf der Stelle zu verlassen habe. Ich
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