Die Suendenburg
trägt, einer ehebrecherischen Verbindung mit Malvin von Birnau, Vikar von Konstanz, entstammt. Sie selbst hat es mir anvertraut. Inwieweit dies mit dem grausamen Tod Baldurs im Zusammenhang steht, kann ich nicht sagen. Doch ich bezeuge hiermit feierlich vor Gott dem Allmächtigen, der Mutter Gottes und allen Heiligen und Engeln, dass ich die Wahrheit spreche. Ich habe beim Schultheiß von Konstanz in aller gebührenden Form Anklage erhoben, wollte es jedoch nicht verabsäumen, Eure durchlauchtigste Hoheit persönlich über die frevelhafte Verbindung in Kenntnis zu setzen. Ich bin sehr krank, durchlauchtigste Hoheit, und hoffe, meine Seele durch dieses letzte Zeugnis würdig zu machen, ins Himmelreich aufgenommen zu werden.
Von dem zweiten Brief hatte ich keine Abschrift angefertigt, aber der eine genügte, um Elicia eine Zeit lang der Gesichtsröte sowie der Stimme zu berauben. Ich trat auf sie zu, riss ihr die Abschrift aus den Händen, sammelte Speichel und rotzte ihn ihr mitten ins Gesicht. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass sich der Speichel in meinem Mund mit Blut gemischt hatte, das sich nun in hundert Tropfen über Elicias Antlitz verteilte. Zunächst selbst überrascht, dann begeistert, rotzte ich sie ein zweites Mal an, sodass auch ihr schönes, weißes Trauerkleid von dem roten Tod, der mich im Griff hat, befleckt war.
So ließ ich sie stehen.
Das war es. Ich habe alles niedergeschrieben, was es zu schreiben gab. Ich könnte morgen von der Tagung des Gerichts berichten, von den Schreien Claires, wenn man sie verstümmelt, dann von Orendels Mord, vielleicht sogar davon – falls ich es noch erlebe –, wie es mit Elicia weitergeht, wie sie ins Kloster verstoßen und ihr Kind lebendig in der Erde vergraben wird, kaum dass es das Licht der Welt erblickt hat. Doch ich bin müde. Mein Werk ist getan oder, wo noch nicht vollständig getan, auf den Weg gebracht. Der heutige Tag war die Gestaltwerdung all dessen, was viele Jahre lang in mir spukte. Selbst wenn ich in diesem Moment sterben sollte, habe ich erreicht, was ich wollte, und so ist das Blut, das mir in diesem Moment einmal mehr in der Kehle brennt, nicht mehr Pein, sondern willkommener Sensenmann.
So ende ich an dieser Stelle. Ich werde diese letzten Papiere zu den anderen geben, die in der Ziegelwand versteckt sind, in eine Kassette legen und vergraben, auf dass sie eines Tages von dir, Leser in ferner Zeit, gefunden und mit Abscheu und Neugier betrachtet werden, so wie man es mit schwarzen, faulen Knochen tut, die die alte Erde manchmal freigibt.
Lebe wohl. Lebe besser als ich.
Malvin
Seit der Abreise aus Konstanz, nach dem Gespräch mit dem Herzog, war es meine Absicht gewesen, Baldur zu töten. Dieses Verbrechen hatte sich mir schon damals bei meinem ersten Aufenthalt auf dem Sündenberg genähert. Aus der Finsternis tretend, streckte es seine Hand nach mir aus, und ich war nahe daran, sie zu ergreifen. Baldurs Tod war der einzige Weg, mit Elicia zu leben. Dennoch siegte vor vier Monaten mein Gewissen über mein Verlangen, und ich kann ohne Übertreibung sagen, dass dies der wohl schwerste Kampf meines Lebens gewesen war. Als nun aber der Herzog mich erneut schickte, da wusste ich, dass ich diesen Kampf nicht noch einmal gewinnen würde. Sofort nahm ein Plan Gestalt an, und ich brauchte keine Stunde dafür, ihn zu formen.
Gestern Nacht – die erste Nacht nach meiner Ankunft – schlich ich ungefähr zur jetzigen Stunde aus meinem Gemach. Ich kannte mich gut genug in der Burg aus, um den Weg zur Scheune zu finden. Die einzig gefährliche Strecke war der Weg quer über den Vorhof, da mich die beiden Torwachen hätten entdecken können. Doch sie unterhielten sich, und als sie mir den Rücken zudrehten, stahl ich mich an ihnen vorbei. In meinem schwarzen Mantel wurde ich ohnehin fast von der Nacht verschluckt.
Die Scheune war dunkel und eng, und ich hatte Mühe, mich zurechtzufinden. Ich wusste nur, dass Baldur dort irgendwo schlief. Meine Furcht war, dass ich – erfahren darin, Verbrechen aufzuklären, unerfahren darin, sie zu begehen – über mein Opfer stolpern würde, was schnell mich selbst zum Opfer machen könnte. Daher bewegte ich mich wie ein blinder Methusalem mit nach vorn ausgestreckten Armen und winzigen Schritten vorwärts. Wie sollte ich jedoch auf diese Weise Baldur finden und mit einem überraschenden Messerstich töten, wenn ich kaum die Hand vor Augen sah?
Ich hatte Glück. Von außen, vom Tor her, fiel schwacher
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