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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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konnte, dass jedermann die Tat hätte begehen können, und zwar mit einem beliebigen Messer. Ihr seid ins Bad gegangen und habt den Hebel zum Ablassen des Wassers betätigt, wurdet jedoch von Elicia und Baldur gestört.«
    »So war es. Ich hatte das Wasser ablassen wollen, um festzustellen, ob der kostbare Dolch auf dem Grund des Beckens liegt. Falls es so gewesen wäre, hätte ich ihn an mich genommen. Ich hatte ein Jagdmesser dabei, das ich anstelle des Dolches ins Becken legen wollte, um den Verdacht zu nähren, dass die Ungarin den Mord begangen hatte. Doch dazu kam ich nicht, das Wasser lief zu langsam ab, und um nicht von Baldur und Elicia entdeckt zu werden, musste ich das Bad vorzeitig verlassen. Danach ging ich in Elicias Gemach, fand aber weder den Ring noch den Dolch. Zuerst war ich erleichtert und hoffte, dass Elicia nun doch nichts mit dem Verbrechen zu tun hatte. Doch dann suchte sie mich am Morgen nach meiner Totenwache an Agapets Grab auf. Dabei bemerkte ich den Ring am vierten Finger der linken Hand. Sie zeigte mir den Dolch, den sie aus dem Wasser gefischt hatte, und sie stellte das Geschehen jenes unseligen Abends, an dem ihr Vater ihr übel zugesetzt hatte, völlig anders dar: Ihr Vater habe sie geneckt, er habe ihr den Ring versprochen … Da wusste ich mit letzter Gewissheit, dass meine Tochter nicht mehr bei Sinnen war. Irgendetwas tief in ihr versperrte ihr den Blick auf die Tatsachen, und zwar auch auf die, die sie selbst geschaffen hatte. Von da an hielt ich es nicht mehr nur für möglich, dass sie ihren Vater getötet hatte, sondern für eine Gegebenheit. Und da sie mich in einer Weise befragte, die nahelegte, dass sie Aistulf und mich verdächtigte, musste sie demnach in Unkenntnis ihrer eigenen Tat sein, eine träumende Mörderin, eingetaucht in diese zweite Welt, die sie sich gebaut hat.«
    Sie sah mich beschwörend an. »Vielleicht konnte nur jemand, der sie liebt, dies durchschauen, die Tat erkennen – und vielleicht kann nur der sie auch verzeihen.«
    Das sagte ihre eigene Mutter, die von der Schuld der Tochter überzeugt war und die Tochter dennoch von Anfang an beschützt hatte. Alle die Lügen um den Schlüssel und den Dolch, alle Vertuschungsversuche und das Legen falscher Fährten hatten nur dem Zweck gedient, jeglichen Verdacht von Elicia abzuwenden.
    Und ich? Hatte ich Elicia nicht auch beschützt, allerdings ohne es mir einzugestehen? Die kleinen Ungereimtheiten hätten mich stutzig machen müssen: dass Elicia sagte, sie habe sich beim Tanz lange mit ihrem Vater unterhalten, der ihr etwas aus der königlichen Kassette versprochen habe, wohingegen Kara von einem sehr kurzen, nur wenige Momente dauernden Tanz berichtet hatte; dass Elicia als Einzige Karas Schreie hörte, ja, sogar von ihnen erwachte, obwohl ihr Gemach weit entfernt vom Geschehen lag und großer Lärm im Burghof herrschte; dass sie, eine wache, kluge Frau, ihren Vater völlig anders wahrnahm als die anderen Menschen, mit denen ich über ihn sprach. Ihre Verehrung für ihren Vater war von geradezu verdächtigem Ausmaß, doch ich übersah die Anzeichen. Sie nähte ihm Tuniken, wie man es für einen Ehemann tut; sie brach beim Verhör zusammen, als ich auf seine ungarische Geliebte zu sprechen kam; sie erlitt im Geheimgemach auf Agapets Bett einen Schwindelanfall; und sie trug den Ring, den angeblich ihr Vater ihr geschenkt hatte, am vierten Finger der linken Hand. Und doch hatte ich, der das Verborgene erforscht, bei Elicia versagt, weil ich hatte versagen wollen. Auch die Umnachtung, in die sie fiel, nachdem sie von Bilhildis mit Blut bespuckt worden war, hatte mich noch nicht aufgerüttelt. Erst der Fund der Gegenstände im Wald hatte dies erreicht, und ich hatte wieder wie ein Vikar zu denken begonnen.
    Das Nachtgewand war sicherlich das deutlichste Beweisstück für Elicias Täterschaft. Entweder hatte es jemand aus ihrem Fenster geworfen, um sie zu belasten – dann hätte dieser Jemand allerdings auch dafür sorgen müssen, dass es gefunden wird. Da ich selbst jedoch dieser Jemand gewesen war, der mit dem Mord an Bilhildis den Fund des Nachtgewands herbeigeführt hatte, blieben nur zwei weitere Möglichkeiten. Erstens: Jemand, beispielsweise die Gräfin, wollte nicht, dass Elicias Schuld entdeckt würde. Zweitens: Elicia selbst beseitigte noch in der Nacht von Agapets Tod das blutige Gewand, das ich im Wald gefunden hatte, halb verrottet zwar, aber doch mit noch erkennbaren Spuren versehen.
    Das Ergebnis

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