Die Suendenburg
Truppen zugutekam, nicht den Dörfern. Bei der Kemenate, die ich betrat, hatte ich den Eindruck, dass sie nicht zu einer Frau passte, da sie weder über einen Spiegel noch über große Gewändertruhen verfügte. Außer der Tür, durch die ich eingetreten war, gingen zwei weitere Türen von ihr ab. Die eine von ihnen war geschlossen, die andere geöffnet. Außerdem führte eine Holztreppe in eine höher gelegene Kammer.
»Wir befinden uns im Gemach meines verstorbenen Gatten«, sagte die Gräfin. »Aistulf hat es aus Respekt vor dem Toten noch nicht bezogen, aber bald wird es so weit sein. Daher – vielleicht möchtet Ihr Euch hier ein wenig umsehen? Kommt und bleibt nach Belieben.«
»Sehr gütig, Erlaucht.«
»Wollen wir die förmlichen Anreden nicht weglassen? Immerhin sind wir – ich meine Euch, Aistulf und mich – als Amtsträger auf dieser Burg unter uns. Und wir werden eine Weile miteinander zu tun haben, nicht wahr? Oder?«
In ihre ruhige Stimme mischte sich Ruhelosigkeit, in ihre stolze Haltung ein wenig Fahrigkeit.
»Ich habe nichts dagegen, Gräfin«, erwiderte ich schlicht, wobei ich auf die in ihrer Bemerkung mitschwingende Frage der Dauer meines Aufenthalts absichtlich nicht einging. Es gefiel mir nicht, gegenüber der Gräfin, die für mich eine große Dame war, so kühl distanziert zu bleiben. Ich hätte ihr gerne etwas Gutes, Aufmunterndes gesagt, aber ich musste mir jede Parteilichkeit verbieten.
Auf einen Wink der Gräfin hin trat Raimund, der alte Leibeigene, durch die geöffnete Seitentür. Er verbeugte sich und sagte: »Dies ist das Bad. Dort geschah die Tat.«
Darum also war ich hergebeten worden: Um mir die Ansichten der Gräfin und des Dieners, den Mord betreffend, anzuhören. Früher am Tag war der Diener damit gescheitert, nun versuchte er es ein zweites Mal. Mein erstes Gefühl war, die Unterhaltung abzubrechen, aber dann sagte ich mir, dass ich mich früher oder später mit dem Ort der Tat auseinandersetzen musste, und ließ mich darauf ein. Der Diener führte mich durch die Seitentür in einen kleinen, rechteckigen Vorraum des Bads, ungefähr zwei Schritte breit und vier Schritte lang, an dessen beiden Seitenwänden jeweils eine Truhe stand.
»Hier habe ich den Grafen stets ausgekleidet, bevor er ins Bad ging«, sagte Raimund. »Sechsundzwanzig Jahre lang. In diese Truhe dort habe ich die Kleider des Grafen gelegt. Die Kleider, die er am Abend seines Todes trug, liegen immer noch drin. Seht Ihr?«
Mehr gab es in dem Vorraum nicht zu entdecken, und so gingen wir ins Bad. Ein schöner Raum mit verblassenden Wandmalereien, die Badende darstellten – ein Hauch vom Luxus des vergangenen Imperium Romanum, das die Frankendynastie der Merowinger hier und anderswo nachzuahmen versucht hatte. In Kempten, früher Cambodunum, habe ich als junger Mann einst Ähnliches gesehen.
»Wie funktioniert das?«, fragte ich Raimund.
Er wurde plötzlich sehr rege, so als sei er seinem Ziel, mich zu überzeugen, näher gekommen. »Achtet auf diese Rinne, Herr, sie ist der Zulauf. Und nun folgt mir.«
Wir gingen zurück ins Grafengemach und von dort die Holztreppe hinauf in eine Kammer, in der eine monströse Vorrichtung mit großem Wasserkessel und Unterfeuerung stand.
»Hier wird das Wasser erwärmt, und wenn ich den Kessel kippe, seht Ihr – das Wasser läuft durch diese Rinne in der Wand direkt ins Bassin im Bad.«
Ich nickte, und wir gingen wieder hinunter, da die Kammer eng war.
»Am Abend des Mordes«, sagte der Leibeigene eifrig, »habe ich den Kessel auf Wunsch des Grafen befeuert. Bei Beginn des Gelages hatte er mir gesagt, dass er später noch baden wolle. Ich bereitete also alles vor. Als der Graf eintraf, befand sich keiner außer uns in diesen Räumen. Ich begleitete den Graf vom Gemach in den Vorraum, von dort ins Bad bis vor das Becken, und ich kann beschwören, dass keiner dort war. Als er in das dampfende Wasser stieg, ging ich zurück ins Gemach und schloss die Tür zum Bad hinter mir. Ich blieb im Gemach. Ich verließ es die ganze Zeit über nicht, und einen anderen Zugang zum Bad gibt es nicht. Wer also hätte ihn in dieser Zeit ermorden sollen?«
»Du bist gewiss für einen Moment in die Kesselkammer gegangen, um warmes Wasser nachlaufen zu lassen.«
»Ja, das ist wahr, Herr. Aber erst, als man die Heidin gebracht hatte. Mein Weib, Bilhildis, führte sie herein, ich unterhielt mich kurz mit Bilhildis, dann kleidete sie die Heidin im Vorraum aus und stieß sie ins Bad.
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