Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
sprechen.
    »Überlegt es Euch«, sagte ich, willens, das Gespräch zu beenden und ein anderes anzufangen. »Das Gemach wird mit Kette und Schloss versehen, der Graf wird es vorläufig nicht beziehen können, es tut mir leid.«
    »Aber – ich verstehe das nicht. Wozu?«
    »In diesen Räumen wurde der Mord begangen und die Mordwaffe aufbewahrt. Ich werde dieses Gemach für meine Verhöre benutzen.«
    »Verhöre?«
    »Gewiss. Jedoch keine peinlichen Verhöre. Im Gegensatz zu anderen Vikaren halte ich mit Werkzeugen erzwungene Aussagen für kaum bedenkenswert und für sehr bedenklich.«
    »Meiner Meinung nach sind Verhöre in diesem Fall überflüssig.«
    »Ich bin der Letzte, der Euch eine eigene Meinung abspricht. Jedoch ist die meine ausschlaggebend.«
    »Ihr habt doch selbst von Raimund gehört …«
    »Erstens ist er ein Leibeigener, und ich darf seine Aussage nicht als Begründung für ein mögliches Urteil heranziehen. Und zweitens scheinen mir einige Fragen ungeklärt.«
    »Der Dolch lag dort drüben auf dem Tisch. Die Ungarin wurde von Bilhildis hereingebracht, und in einem günstigen Moment …«
    »Das versuchte mir der Diener bereits zu erklären. Bitte, Gräfin, nicht jetzt. Ihr habt Gelegenheit, Eure Anschuldigung vorzubringen, wenn Ihr verhört werdet.«
    »Ich?«
    »Ihr, Euer Gemahl, Eure Tochter, Euer Schwiegersohn, das Gesinde, die Wachen – alle.«
    »Warum dieser Aufwand, diese Belästigung? Es geht doch nur um die Ungarin. Sie hat Agapet getötet. Ich bitte Euch lediglich, ein Bußverfahren zu genehmigen, sodass ich mit der Ungarin über eine angemessene Strafe für sie verhandeln kann.«
    »Ich werde Euer Ansinnen prüfen. Selbstverständlich wird auch die Ungarin verhört. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, Gräfin. Ich habe eine lange Reise hinter mir. Bitte ruft jemanden, der die Tür verkettet. Den Schlüssel behalte ich. Solltet Ihr Zugang zur Schatzkammer brauchen – deren Schlüssel ich selbstverständlich nicht benötige –, so lasst mich rufen, Tag oder Nacht, und ich werde das Gemach öffnen.«
    Ich verneigte mich zum Abschied. »Habt Dank, Gräfin, für Eure Offenheit und Zeit.«
    Ich hatte die Wahl gehabt. Ich hätte mich unverbindlich höflich äußern können, aber ich zog es vor, höflich bissig zu wirken. Die allgemein vorherrschende Stimmung der Burg gab ich willentlich, jedoch ohne böse Absicht weiter.

Kara
    Es fing mit einem leichten, göttlichen Wind an. Er weckte mich aus einem wahren Traum, indem er meine Schultern streichelte wie ein junger Mann mit zarten Händen. Im Halbschlaf fühlte ich mich geliebt. Ich wurde fortgetragen und befand mich wieder in der Heimat, in den Steppen rund um den großen See, wo die Gräser sich biegen und die wilden Pferde weiden, wo mächtige Vögel ihre Kreise ziehen, wo ein Zelt steht, wo ich ohne Scham nackt sein kann, wo mein Mann mich an sich presst, wo er mich auf Fellen besteigt, wo sich seine und meine Schreie umeinanderwinden, wo die Machtlosigkeit nur eine Nacht lang dauert, wo ich sein Blut in der Kraft seines Glieds spüre, wo ich ihn mit geschlossenen Augen sehe, wo ich durchbohrt werde von Lust, wo unsere Körper wirbeln, wo sie erschaffen, wo sie erschlaffen, wo ich sterben möchte. Und dann wurde der Wind stärker, er sog mich an sich, ich stand von meinem Lager auf und ging zum Fenster. Es ist bloß ein Schlitz, gerade so breit, dass mein Arm hindurchpasst. Ich streckte ihn aus, fing den Wind auf, der von Osten kam, und Regen kam hinzu, den ich mir von der Hand leckte. Der Wind verstärkte sich abermals, er schlug mir ins Gesicht, ich atmete ihn ein. Er umwickelte mich, schüttelte mich, er drückte gegen das Mauerwerk und ließ den Raum erbeben.
    Dort, vor dem Fensterschlitz, schlief ich wieder ein, zusammengekauert auf dem Boden, mit Haaren, die mir auf der Brust klebten und deren Nässe bis zu meinen Schenkeln rann.
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, war, dass dieser Mann in meinem Kerker stand.
    Ich bin, seit ich geraubt wurde, vielen verschiedenen Blicken begegnet. Agapets Begierde verdanke ich, dass ich noch lebe, denn seine Männer machten alles nieder, was ihnen nicht gefiel, wie ich als Gefangene auf dem Weg aus meinem Land in das fremde Land mit eigenen Augen sah. Überall verkohlte Dörfer der anderen Stämme meines Volkes, schwarze Leichen, Wasserleichen, teilnahmslos im Gras sitzende Kleinkinder, erhängte Greisenpaare. Ich kann von Glück sagen, dass Agapet und seine Leute nicht bis zu meiner

Weitere Kostenlose Bücher