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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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die Wahrheit sage.«
    »Gott zu interpretieren ist überheblich.«
    »Überheblich ist es nur, wenn ich falschliege, ansonsten ist es scharfsinnig. Und dass ich falschliege, soll mir erst einmal jemand beweisen.«
    »Ich bezweifle, dass der Vikar sich auf einen Disput mit dir einlassen würde. Er lässt dir die Zunge herausreißen, hackt deine Schwurhand ab und fertig.«
    Aistulf wollte mich erschrecken, aber in seinem tiefsten Innern hoffte er, dass ich bei meiner Meinung bliebe. Und ich, die ich dabeiblieb, baute darauf, dass er mich genug liebte, um mir meinen Willen zu lassen, aber nicht genug liebte, um mein persönliches Wohl über das des Kindes zu stellen.
    »Wir haben an unser Kind zu denken«, sagte ich. »Und wir haben eine Verantwortung gegenüber den Armen, die auf uns hoffen, ohne es zu wissen, weil sie sich keine Hoffnung mehr erlauben. Was wiegen eine Zunge und eine Hand gegen die Leichname der Verhungerten und am Sumpffieber Verendeten? Du weißt es.«
    Unsere Blicke trafen sich für lange, und in dieser Zeit brach sein Widerstand zusammen. Wir küssten und umarmten einander, dann trat ich an Aistulfs Seite in den Hof, wo sich alle versammelt hatten.
    Es hatte bereits wieder angefangen zu regnen. Ein grauer Wolkenteppich hing über dem ganzen Land, ein kalter Wind blies und die Burg sah nackt und feucht wie ein von Wogen überspülter uralter Felsen aus. Aus dem nahen Wald drangen das Röhren der Hirsche, das Bellen der Wildhunde und das Kreischen der Krähen, ohne dass man die Tiere gesehen hätte.
    Ich sprach unter der Anleitung Malvins die Eidesformel und rief Gott als meinen Zeugen an: Das Kind war Agapets Kind.
    Die Leute – außer Elicia und Baldur – jubelten, und innerlich jubelte auch ich. Mir war leicht ums Herz, ähnlich wie nach Agapets Tod. Es gab kein Zurück mehr. Darin lag ein großes Glück, eine ungeheure Freiheit.
    Noch eine kleine Begebenheit, bevor ich schließe: Als ich in meine Kemenate zurückkehrte, ging ich zum Fenster, um über das Land zu schauen, dessen Anblick mir vertraut war. Ein Zwitschern riss mich aus meinen Gedanken. In einer Kuhle des Fenstersockels saß ein kleiner Vogel. Er schien zurückgelassen worden zu sein. Ich fand, dass er traurig aussah, aber von Nahem sehen alle Vögel traurig aus, nicht wahr? Er hatte einen rötlichen Schwanz und winzige schwarze Augen, kaum größer als ein grobes Salzkorn. Ich sprach mit ihm. Ich fragte ihn, was er dort tue, und suchte nach einer Möglichkeit, ihm zu helfen, bevor mir gewahr wurde, dass etwas mit seinem linken Flügel nicht stimmte. Es war ihm unmöglich, zu fliegen. Er war ein Gefangener auf diesem schmalen Sockel, der ihn vom Absturz trennte. Ich gab ihm Brotkrumen, die er nicht anrührte, und dann schickte ich Frida, Franka und Ferhild, die drei jungfräulichen Witwen der Burg, in die Wiesen, um dort Fliegen und Käfer zu sammeln. Diese mochte der Vogel. Und seither nähre ich ihn.

Elicia
    Vater, o Vater, so kann es nicht weitergehen. Es liegt mir nicht im Blut, die Hände in den Schoß zu legen und ergeben zu warten, in welche Richtung sich das Schicksal entwickelt. Ich weiß, dass man das im Allgemeinen von Frauen erwartet – die Männer erwarten es, die Priester erwarten es (es sind Männer), die Mächtigen erwarten es (es sind Männer), ja, sogar die Frauen erwarten es (ihre Meinung darüber ist von Gatten, Priestern, Mächtigen und Vätern geprägt worden). Der Vater, der du warst, war anders. Du ermutigtest mich, eine eigene Meinung zu haben und für sie einzustehen, und du ermutigtest mich, zu handeln, wenn mir danach ist. Ich bin dein Blut.
    Nach dem Eid meiner Mutter wollte ich handeln. Ich wusste, dass sie log. Zugegeben, ich war nicht dabei, als Aistulf ihr das Kind gemacht hat, und ich habe zurzeit keinen Beweis dafür, dass das Kind nicht Vaters Kind ist, aber ich weiß dennoch, dass sie Gott und die Welt belogen hat. Unmittelbar nach diesem Schauspiel zog ich mich erregt in meine Kemenate zurück. Wie eine Schwachsinnige saß ich auf der Kante meines Lagers, ohne mich zu rühren. Würde Bitterkeit die Eigenschaft besitzen, das Gesicht zu färben, wäre das meine grün wie Waldmeister gewesen. Wie konnte sie mir das nur antun! Sie brachte mich durch diesen Eid in eine unmögliche Situation, denn von da an war jeder Schritt, den ich für meinen eigenen Anspruch unternahm, gleichbedeutend mit einem Hinarbeiten auf die Verstümmelung meiner Mutter. Gewiss, ich war nicht zimperlich gewesen, als es um

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