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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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die Aufdeckung ihrer Mutterwerdung ging, und ihr neuer Gemahl Aistulf war nach wie vor mein Hauptverdächtiger als Mörder – wenngleich ich noch nicht wusste, wie er an Raimund vorbei unbemerkt ins Bad hatte gelangen können, und Mitwisserschaft wollte ich dem treuen Raimund nicht unterstellen. Wie auch immer, bei allem Tadel an meiner Mutter war ich nie so weit gegangen, etwas zu tun, was ihr schadete. Durch ihren Eid stürzte sie mich in einen schrecklichen Gewissenskonflikt.
    Ich wandte mich an Malvin von Birnau, denn er war der Einzige, der mir in dieser Sache raten und helfen konnte (so sehr ich Bilhildis vertraue, so begrenzt sind die Möglichkeiten einer Leibeigenen, die überdies stumm ist). Außerdem hatte Malvin bei mir einen guten Eindruck hinterlassen, ohne dass ich hätte sagen können, was genau er eigentlich getan hatte, um dieses günstige Urteil über ihn zu rechtfertigen. Seine Untersuchung des Mordes hatte gerade erst begonnen. Ein Teil meiner Wertschätzung für Malvin speiste sich sicherlich aus der Tatsache, dass Baldur ihn nicht mochte und Aistulf und meine Mutter ihn fürchteten. Ein weiterer Teil speiste sich aus der Hoffnung, die ich in ihn setzte. Das genügte mir fürs Erste als Erklärung für das Vertrauen, das ich ihm entgegenbrachte.
    Ich traf ihn in seinem Gemach an, wo er etwas schrieb. Als er mich sah, ließ er alles stehen und liegen und ging mir entgegen.
    »Störe ich Euch?«, fragte ich.
    »Keineswegs. Im Übrigen habe ich erwartet, dass Ihr mich dieser Tage aufsucht.«
    »Wieso das?«
    »Es ist zu viel passiert, als dass jemand wie Ihr sich untätig verhält.«
    »Ihr seid ein großer Menschenkenner.«
    »Angesichts dessen, dass Ihr in der Öffentlichkeit das Kleid Eurer Mutter entzweigerissen habt, um ihren Bauch zu entblößen, würde jeder Tropf Euch für wenig zurückhaltend halten.«
    Er lächelte, und das brachte mich zum Lächeln. »Ich mache so etwas nicht jeden Tag, wisst Ihr?«
    »Heißt das, mein Gewand ist vor Euch sicher?«
    »Gebt mir kurze Bedenkzeit … Ich meine – ja, ihm geschieht nichts.«
    »Ein Glückstag.«
    »Würdet Ihr …« Ich kämpfte gegen das Lächeln an, das mir hartnäckig auf den Lippen lag. »Würdet Ihr mich auf einem kurzen Streifzug begleiten, Vikar? Ich hätte einige Fragen an Euch.«
    »Für Beobachtungen, die mit dem Mord zusammenhängen, benötige ich meinen Schreiber. Soll ich ihn holen?
    »Nein, bitte. Es geht nicht um den Mord – zumindest nicht unmittelbar.«
    »Wohin gehen wir?«
    »In den Weinberg.«
    Die Weinlese war vorbei. Auf den Böden zu beiden Seiten des Pfades lagen die verschmähten, überreifen Früchte, deren schwerer Duft alle anderen Düfte des Herbstes überlagerte. In den Bienenkörben herrschte noch reger Betrieb, doch in wenigen Wochen würden sie verlassen schweigen. Ich erzählte Malvin, wie ich vor sechzehn Jahren, als sechsjähriges Kind, bei der Lese geholfen hatte, indem ich die unteren Reben aberntete, und welchen Spaß ich dabei hatte, bis meine Mutter kam und mich von dort wegholte, weil ich angeblich zu gut für solche niederen Arbeiten war. Malvin hörte geduldig zu, ohne mich zu unterbrechen.
    »Ich hatte noch nie eine gute Beziehung zu meiner Mutter. Wir kamen miteinander aus, aber das war auch schon alles. Seit Jahren haben wir kein längeres Gespräch miteinander geführt, sie hat mir nie aus ihrem Leben vor der Heirat erzählt, sie ist stets jeder vertraulichen Frage ausgewichen, sie hat sich vor mir verborgen, manchmal habe ich sie wochenlang nicht gesehen. Meine Amme Bilhildis war mir mehr eine Mutter als sie, aber Bilhildis ist – nun, sie ist ein wenig derb, und ich glaube, das kommt manchmal in meiner Sprache und meinem Benehmen zum Vorschein. Es gibt Stunden, in denen mein Ungestüm mir mehr schadet als hilft. Zum Beispiel, wenn ich bei Gästen den Eindruck einer Furie hinterlasse.«
    »Habt Ihr mich deswegen sprechen wollen? Um Euch zu entschuldigen? In Eurer Familie entschuldigt man sich gerne und viel, wie mir scheint. Eure Mutter hat es bereits hinter sich gebracht.«
    »Ich will mich nicht entschuldigen. Das heißt, nicht in erster Linie. Ich will ganz offen sein: Ich weiß nicht, wo ich stehe, Vikar, und welche Hoffnungen ich mir machen kann. Ihr weilt nun schon ein paar Tage in der Burg, und Ihr habt Euch einen Überblick verschafft. Es liegt mir fern, Euch zu drängen …«
    »Aber Ihr wollt lieber heute als morgen Gräfin werden, indem ich Aistulf verurteile.«
    »Ich verhehle

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