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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mit ihr.«
    Nach einer Weile sagte er mit leiser Stimme: »Du hast gut daran getan, nichts zu verstehen, Frau mit unbekanntem Namen.«
    Wieder schwieg er eine Weile, bevor er sagte: »Aber damit ist nun Schluss. Folge mir zum Verhör. Ich habe Fragen, und du wirst sie mir beantworten. Gott stehe dir bei, wenn du es nicht tust.«

Protokoll eines Verhörs unter Ausschluss von peinlichen Befragungsmitteln
    Befragte: Eine Ungarin, die sich Kara nennt
    Anwesend: Malvin von Birnau, Vikar; Bernhard vom Teich, Gerichtsschreiber
    MvB: Dein Name und deine Herkunft?
    K: Kara. Ich bin eine Magyarin vom Stamm der Keszi.
    MvB: Du bist also eine Ungarin, eine Feindin. Du warst beteiligt an den Überfällen deines Volkes auf Kärnten, Baiern, Schwaben, Franken und Thüringen. Wie viele Sommer waren es? Sechs? Sieben? Acht? Es müssen viele gewesen sein, wenn du unsere Sprache lernen konntest.
    K: Gegen das, was man ist, wenn man zur Welt kommt, ist man wehrlos. Man kann es vergraben, aber es bricht durch wie die alten Knochen, die der Boden wieder freigibt. Was immer mein Volk getan hat, kann ich nicht ungeschehen machen, und was immer ich gesehen habe, kann ich nicht ungesehen machen, und was immer ich dabei gedacht habe oder nicht gedacht habe, hilft und schadet niemandem. Ich habe keinen von euch umgebracht.
    MvB: Erzähle mir von deinem Zorn auf Agapet. Er muss gewaltig gewesen sein.
    K: Man hat mich aus meiner Heimat entführt, einfach so, vom Bach weg. Man hat mich angefasst …
    MvB: Wenn du › man ‹ sagst, meinst du Agapet.
    K: Ja. Er konnte die Hände nicht von mir lassen, noch nicht einmal dann, als seine Frau nur ein paar Schritte von uns entfernt am anderen Ende der Tafel saß.
    MvB: Das war auf dem Gelage. Erzähle mir von jenem Abend.
    K: Agapet bestand darauf, dass ich neben ihm saß. Jeder sollte sehen, wen er erbeutet hatte, und jeder wusste, was er mit mir vorhatte. Er trank sehr viel, er war nur noch halb bei Sinnen.
    MvB: Wie hat seine Frau darauf reagiert?
    K: Gar nicht. Sie saß würdevoll an der Tafel in ihrem tiefroten Gewand, das ich nie vergessen werde. Sie sprach mit niemandem, und keiner sprach sie an. Ich konnte keine Regung auf ihrem Gesicht erkennen. Oder doch, ein einziges Mal, als Agapet mit seiner Tochter tanzte. Die Tochter hatte ihn darum gebeten. Da wirkte Agapets Frau sehr bekümmert und angespannt, was ich überhaupt nicht verstanden habe, weil der Tanz nur wenige Augenblicke dauerte, kaum genug, um zweimal tief durchzuatmen. Danach torkelte Agapet wieder zu mir, riss mich an sich, drückte mir einen harten Kuss auf und befahl einem Diener, ein Bad einzulassen. Da wusste ich, was mir bevorstehen würde.
    MvB: War der Befehl für alle hörbar?
    K: Ja. Er rief ihn voller Stolz und Anzüglichkeit, und seine Soldaten verstanden ihn, denn sie grölten und lachten. Agapets Tochter wurde dieses Spektakel wohl zu viel, sie verließ das Gelage, und nach einer Weile verabschiedete sich auch die Gräfin. Danach ging das Treiben noch ungehemmter als zuvor weiter. Mir war zum Weinen, doch ich verbot mir die Tränen. Irgendwann brachte eine stumme Dienerin mich in die Kammer, in der ich noch immer gefangen gehalten werde, schloss mich ein und kehrte erst eine ganze Weile später zurück. Sie geleitete mich ins Bad …
    MvB: Vergiss nicht, den Dolch zu erwähnen.
    K: Wie gesagt, die stumme Dienerin brachte mich hierher in dieses Gemach ihres Herrn. Sie riss mir die Kleider vom Leib herunter und stieß mich unsanft ins Bad. Dort war es düster. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der stummen Dienerin war das gleichgültig. Sie ging fort, und ich stieg ins Becken. Ich habe keinen Dolch gesehen.
    MvB: Agapet war also bereits im Wasser.
    K: Ja.
    MvB: Und du behauptest, er war schon tot gewesen?
    K: Ja, aber das konnte ich nicht sehen. Ich habe nur den Geruch bemerkt.
    MvB: Er kam dir bekannt vor. Von euren Überfällen. Es war der Geruch von Blut. Demnach bist du in ein Blutbad gestiegen.
    K: Ja, in ein Blutbad. Ich habe zwar den Geruch erkannt, aber ich habe mir noch nichts dabei gedacht. Ich war abgelenkt, ich hatte Angst, ich glaubte, ich bilde mir den Geruch nur ein. Ich war froh, dass der Mann sich nicht bewegte. Ich glaubte, er wäre eingeschlafen. Er war alt, ein langer Tag lag hinter ihm, er hatte viel Wein getrunken, das Bad war heiß, da kommt so etwas vor, auch wenn man auf eine junge Frau wartet.
    MvB: Schön und gut, aber irgendwann musst du bemerkt haben, dass ein Toter neben dir im

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