Die Suendenburg
einfallsreich und entblödet sich nicht, Gott dem Herrn für diesen Einfallsreichtum zu danken – das wäre so, als würde man dem Teufel danken, weil man ein selbstloser, gütiger Mensch ist, doch dieser Widersinn fällt Raimund nicht auf. Seit er vor elf Jahren ein schweres Fieber überlebt hat, ist er gläubig wie der wiederauferstandene Lazarus. Mich lässt es kalt. Weder Gottes Schein noch Geldes Schimmer fallen in ein Herz, wo die Vergeltung wohnt.
Raimunds Geldgier hatte immerhin ihr Gutes, denn der Vorschlag, den er Aistulf und der Gräfin unterbreitete, passte auch in mein Konzept: Ich soll in Kürze zu Orendel reisen und ihn in einem verlassenen Gehöft in der Nähe der Burg unterbringen, das Aistulf in der Zwischenzeit herrichten lässt. Die Gräfin wird das Gehöft von ihrem Fenster aus in der Ferne sehen können und ihrem Sohn auf diese Weise näher als bisher sein. Sobald die Gefahr, die vom Vikar beziehungsweise von Baldur und Elicia ausgeht, gebannt ist, wird Orendel in die Burg zurückkehren.
So weit die herzbewegende Darstellung für Aistulf und die Gräfin. Sie fand nach einigem Hin und Her die Zustimmung des gräflichen Paares und brachte der Gräfin jene Seligkeit ins Gesicht zurück, die bei mir die Galle aufsteigen lassen würde, wenn ich nicht wüsste, dass der letzte Teil von Raimunds Vorschlag niemals in die Tat umgesetzt wird.
Etwa zur selben Zeit wandte sich Elicia in einer vertraulichen Angelegenheit an mich. Ich fand sie in diesen Tagen mal bedrückt und mal seltsam aufgewühlt. Die Mutterwerdung und der Eid der Gräfin machten Elicia zu schaffen. Sie magerte ab, und während eines Verhörs dieses rabenschwarzen Aushorchers und Topfguckers vom Bodensee brach sie zusammen. Sie fieberte drei Tage lang. Ich brachte sie wieder auf die Beine.
Am vierten Tag, als es wieder besser ging, sagte sie ein wenig traurig: »Ich habe daran gedacht, endlich ein Kind zu kriegen. Was meinst du dazu, Bilhildis?«
Ich gab ihr zu verstehen, dass man nicht Mutter werde, indem man daran denke.
»Meine gute Bilhildis ist heute recht witzig. Aber so einfach, wie du meinst, ist es nun auch wieder nicht.«
Wieso? Baldur muss ihn nur reinkriegen. Also? Kriegt er ihn rein?
Dass sie nicht zart besaitet ist, ist einer ihrer wenigen Vorzüge. Das habe ich ihr beigebracht. Sie antwortete ohne Umschweife.
»Doch, doch. Aber …«
Aber was?
»Ich bin mir nicht sicher, ob er es richtig macht.«
Ich dachte: Wenn man Gelehrter sein müsste, um es richtig zu machen, wäre die Menschheit schon vom Erdboden verschwunden. Man muss ihn reinkriegen, das ist nun wirklich nicht schwierig.
»Es dauert nie sehr lange.«
Was genau heißt: nicht sehr lange?
»Ungefähr – ich könnte bis zehn zählen. Ich könnte auch nebenher sticken, denn was Baldur tut, ist nicht besonders aufregend, obwohl ich das Gefühl habe, dass es aufregend sein müsste. Stimmt das? Wie war das bei dir, Bilhildis? Du hast drei Söhne – ich meine, du hattest drei Söhne, tut mir leid, dass ich davon angefangen habe, es war unhöflich.«
Ich schrieb ihr ein paar Worte auf Lumpenpapier: Nein, das macht nichts. Es war das Schlimmste, die Kinder zu verlieren, aber das Schönste, sie zu empfangen. Darüber spreche ich gerne. Es dauerte jeweils die halbe Nacht und war durchaus aufregend.
»Da, siehst du, Bilhildis, das meine ich. Baldur macht irgendetwas falsch, ohne es zu wissen. Und selbst, falls er nichts falsch machen sollte – was würde das ändern? Wir liegen seit Jahren beieinander. Bisher hat es mich nicht gestört, keine Kinder zu haben, aber jetzt … Ist das Gottes Wille? Liegt es am Ende an mir? Ich weiß mir keinen Rat. Vielleicht könntest du mal mit ihm reden?«
Mit wem? Mit Gott?
»Nein, natürlich mit Baldur.«
Nicht gut. Gar nicht gut.
»Ja, du hast recht, das war eine dumme Idee von mir.«
Fürwahr.
»Gibt es auf Gottes weiter Erde denn kein Mittel, das mir dabei hilft, ein Kind zu bekommen? So etwas müsste doch zu finden sein. Man munkelt, dass fahrende Händler dergleichen feilbieten. Auch soll es wurzelkundige Frauen geben, die Rat wissen. Bilhildis, kannst du dich bitte erkundigen?«
Als ich Elicia versprach, mich darum zu kümmern, hatte ich bereits eine Ahnung, wonach ich suchen musste.
Ich erkundigte mich – selbstverständlich heimlich – in den umliegenden Dörfern und wurde binnen sechs Tagen fündig. Das fruchtbarkeitsfördernde Mittel, das ich fand, hieß Norbert, war neunzehn Jahre alt, unverheiratet,
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