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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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verführerisch wie die Todsünde, hatte das Schneiderhandwerk gelernt und war gerade dabei, sich in unserer Gegend niederzulassen. Er hatte noch alle Zähne, seine Hände waren zwar ein wenig zerstochen, aber dennoch bezaubernd und geschickt, und sein Blick ließ selbst mich saftloses altes Weib noch einmal erröten – was ich als Anstrengung wegen des langen Weges zu ihm tarnte. Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte, und das gefiel mir. Demnach war er sich seiner Wirkung bewusst. Solche Menschen setzen meiner Erfahrung nach alles daran, zu wirken, und sie genießen es. So jemanden brauchte ich.
    Auf dem Papier, das ich bei mir führte, stand alles, was er wissen musste. Glücklicherweise konnte er lesen, was ich ihm aufgeschrieben hatte, wenngleich es mir vorkam, als brauche er noch das ganze restliche Jahr dafür, so unzureichend waren seine Kenntnisse.
    »Erstens: Eine Frau ist irgendwann in den kommenden Nächten zu beglücken. Es werden keine Fragen gestellt, vor allem nicht nach dem Namen der Frau.
    Zweitens: Er erhält zwanzig Goldstücke, drei im Voraus, siebzehn danach.
    Drittens: Er hält sich für eventuelle weitere Beglückungen zur Verfügung, sie werden mit je fünf Goldstücken entlohnt.
    Viertens: Auf Befehl hat er sich umgehend aus der Gegend zu entfernen, mit der Auflage, nie wieder zurückzukehren.«
    Das alles las er sich selbst vor, stotternd zwar, doch ohne erkennbare Verwunderung, was mir bewies, dass er mit allen Wassern gewaschen war.
    Er erklärte sich sogleich einverstanden. Mit mindestens zwanzig, vielleicht sogar dreißig Goldstücken kann er sich eine schmucke Schneiderwerkstatt einrichten und drei Jahre lang gut leben.
    Zwei Hindernisse galt es noch zu beseitigen. Ich musste Elicia davon überzeugen, dass ein gewisser Norbert das weit bessere Mittel zur Steigerung der Fruchtbarkeit war als geschmorte Eselsbacken, Samen der Saubohne und geriebener, auf die Scheide aufgetragener Rosenquarz. Ferner musste ein Weg gefunden werden, Baldur vom Nachtlager fernzuhalten. Und dann kam noch ein drittes Hindernis hinzu, das ich zunächst nicht bedacht hatte.
    Ich wuchs in diesen Tagen über mich selbst hinaus. Die Gräfin drängte mich zum Aufbruch, um Orendel abzuholen, also schützte ich schlimme Schmerzen im Bein vor, die es mir nicht erlaubten, zu reisen. Ich humpelte wie eine einbeinige Taube. Aber ich machte mir nichts vor – lange würde ich dieses Spiel nicht durchhalten. Die Gräfin erkundigte sich täglich nach meinem Befinden, und irgendwann müsste es sich bessern, irgendwann würde die Gräfin die Geduld verlieren. Dass ich die Schmerzen auf das feuchte Wetter geschoben hatte, stellte sich als Fehler heraus, da sich das Wetter wider Erwarten besserte. Baldur war in der ganzen Zeit in der Burg gewesen, und solange sich das nicht änderte, wollte ich mit Elicia nicht über Norbert und sein hervorragendes Fruchtbarkeitselixier, das er aus seinen Lenden presste, reden. Mein Plan sah einen Überraschungsangriff vor. Damit dieser gelingen konnte, hatte ich Norbert in die Burg geholt. Er hielt sich Tag und Nacht in meinem und Raimunds kleinem kargen Gelass zur Verfügung, doch Tage und Nächte verstrichen tatenlos, weil Elicias Bulle nie weit genug weg war. Ich war so verzweifelt, dass ich mich fragte, ob Baldur, der einen tiefen Schlaf hat, wohl davon aufwachen würde, wenn seine Frau neben ihm von Norbert beschlafen würde. Auch die Variante, es Elicia und Norbert auf meinem Nachtlager tun zu lassen, ging mir durch den Kopf. Doch ich hatte mir überflüssige Sorgen gemacht, wie sich herausstellte.
    Es geschah ein infernalisches Wunder: Der Fluss schwoll Elle um Elle an. Von hier oben war gut zu beobachten, wie er die Uferzone überflutete, dann die Wiesen und Weiden, Felder und Äcker, die Wege, Gräber, Scheunen und Hütten. Treibende Kadaver von Schafen, Ziegen und Rindern verfingen sich in den Ästen der Bäume, wo sie verwesten. Ein pestilenzartiger Gestank strömte den Hügel herauf. Die Menschen im Tal flohen in den Wald auf höheres Gebiet, und viele wurden auf Aistulfs Geheiß hin in der Vorburg untergebracht. Sie drängten sich in den Ställen und im Vorhof, ja, sogar im Kerker. Und ein heiterer Himmel, der so tat, als wisse er von nichts, ließ mitten in der Apokalypse eine hämische Sonne leuchten.
    In der Burg kam es zu einem heftigen Streit zwischen Baldur und Aistulf, dem ich aber keine Beachtung schenkte, weil ich genug damit zu tun hatte, Elicia ein Kind zu machen. Das

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