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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Zofen, die ich mir mit meiner Mutter teile und deren Kammern sich deswegen entlang des Verbindungsgangs befinden. Ich hätte also allenfalls einen von diesen fünf dort antreffen können – oder Aistulf. Seine Gemächer liegen nicht weit von denen meines Vaters und meiner Mutter entfernt, ein Stockwerk unter ihnen.
    MvB: Was geschah, nachdem Ihr Euren Vater gefunden habt?
    E: Ich verlor die Beherrschung und lief schreiend aufs Geratewohl durch die Burg. Ich glaube, als Erstes bin ich in die Kammer der Zofen gerannt und habe mich wie eine Verrückte benommen. Erst Bilhildis brachte mich wieder halbwegs zur Besinnung.
    MvB: Wieso habt Ihr das Gericht zu Konstanz hinzugezogen? Die Tatsachen hätten Euch eigentlich zu dem Schluss bringen können, den alle in der Burg gezogen haben. Eine erbeutete Ungarin – Fremde, Feindin und Heidin –, die von Eurem Vater zur Liebe gezwungen werden sollte und die erste Gelegenheit ergriff, um …
    E: Er hat sie nicht zur Liebe zwingen wollen, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Ihr das meint.
    MvB: Nun, er hat …
    K: Er hat neben ihr im Bad sein wollen, ja, das ist wahr. Aber er hätte ihr nie körperlich wehgetan. Dazu war er viel zu anständig. Fragt, ob er irgendeine Frau hier in der Burg jemals schlecht behandelt hat. Fragt, ob er sich Frauen genommen hat. Ihr werdet von allen ein Nein hören. Das mit dieser Ungarin, das war ein – das war bedauerlich. Aber er hat so wenig Liebe bekommen von der Frau, die dazu da war, sie ihm zu geben, und da hat er wohl – da ist er wohl zu weit gegangen. Er war ein guter Mann. Als Graf musste er manchmal hart sein, aber alles in allem … Wer hat den größten Vorteil von seinem Tod? Wer hat die Frau des Grafen nur drei Tage nach dessen Tod geehelicht? Das Ganze stinkt zum Himmel, und ich verlange Gerechtigkeit. Ich verlange, dass …
    (An dieser Stelle wurde es unmöglich, die erregten Worte der Befragten schriftlich niederzulegen. Der Vikar versuchte vergeblich, die Befragte zu beruhigen. Sie brach schließlich zusammen.)

Bilhildis
    Es war schon harte Arbeit, die mein gelenkiger Verstand da zu tun hatte. Ich musste der Gräfin eine Sache ausreden und Elicia eine Sache einreden. Und das alles neben meinen sonstigen Pflichten. Ist ja nicht so, dass ich nichts zu tun hätte. Ich muss dafür sorgen, dass die drei Heulsusen Frida, Franka und Ferhild ihre Arbeit tun, anstatt nur tragische Balladen zu singen. Die würden über ihren jämmerlichen, düsteren Versen doch tatsächlich vergessen, dass die getragenen Kleider der Gräfin und Elicias zu den Wäscherinnen gebracht werden müssen, dass der Tisch geputzt, die Wolle gesponnen, der Boden geschrubbt und das Stroh in den Winkeln und Kanten der Gemächer erneuert werden muss. Ich bin nicht mehr die Jüngste – aber wer fragt je danach? Ich gebe zu, dass man mir nie Strapazen zugemutet hat. Meine Hände sind nicht wund wie die der Wäscherinnen, nicht zerfurcht wie die der kleinen Gehilfinnen, sie sind nur starr und gekrümmt vom Alter. Trotzdem ist mein Tag ausgefüllt. Elicia braucht mich zudem als Kummeräffchen. Und die Gräfin sagt, geh hierhin, geh dorthin, überbringe dies, hole mir solches, schaffe mir jenes fort. Und jetzt versorgt sie auch noch einen Vogel. Einen Vogel! Was heißt, sie versorgt ihn? Ich versorge ihn. Die Gräfin sagt: Bilhildis, lasse die Zofen Fliegen fangen. Die Gräfin sagt: Bilhildis, gehe zum Zimmermann, es wird kühl draußen und der Vogel braucht ein Gehäuse. Jeden Tag fällt ihr etwas Neues ein, um es dem Vogel auf seiner Elle Land gut gehen zu lassen. Der Vogel lebt bald besser als ich.
    Doch ich komme vom Eigentlichen ab.
    »Bilhildis«, sagte die Gräfin zu mir, »du reist zu Orendel und bringst ihn auf die Burg zurück. Raimund soll euch mit dem Kutschwagen fahren. Es hat viel geregnet, die Wege sind schlecht, ihr werdet mindestens zehn Tage brauchen. In der Zwischenzeit bereite ich Elicia und die ganze Burg auf das festliche Ereignis vor.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf und gestikulierte – für Leibeigene sind es eigentlich nicht zu empfehlende Bewegungen. Ich bin die einzige Dienerin in der Burg, die sich so etwas herausnehmen konnte, ohne zwanzig Peitschenhiebe zu kriegen.
    »Nein?«
    Nein.
    »Aber – warum denn nicht? Was hast du einzuwenden, Bilhildis?«
    Wenn du wüsstest, dachte ich, dann würde ich jetzt nicht mehr vor dir stehen, sondern auf deinen Befehl hin im Kerker verschimmeln – bestenfalls.
    Ich schrieb unter den Augen der Gräfin

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