Die Sündenheilerin (German Edition)
Fürsten. Der Herzog lehnte sich gelassen zurück. Ulrich von Regenstein wirkte nicht ganz so überlegen wie tags zuvor.
»Nun, Herr Ulrich, auf wen setzt Ihr? Auf den jungen Chlodwig oder auf den Ägypter?«
»Chlodwig kann dankbar sein, dass der Ägypter angenommen hat. Mein Bruder hätte die Herausforderung eines Edelknappen als Beleidigung abgelehnt.«
»Ach ja, ich vergaß. Der Stolz der Regensteiner.«
Die erste Fanfare, die die Kontrahenten auf ihre Plätze rief. Lena sah, dass Said die Rolle des Knappen übernommen hatte und Philip die Lanze reichte.
Wie eigenartig, den Mann, den sie liebte, mit dem Helm ihres Vaters zu sehen. Lena konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater ihn jemals getragen hatte. Sie kannte seine Rüstung nur aus der Waffenkammer. Ob er wohl stolz auf seinen jetzigen Träger gewesen wäre? Der ihr Familienwappen wieder mit Ehre belegte?
Der zweite Fanfarenstoß, das Signal zum Beginn. Chlodwig trieb sein Pferd sofort an, Philip zögerte. Saids Bedenken kamen ihr in den Sinn. Was, wenn er jetzt versagte? Nicht wagte, sein Pferd anzutreiben? Neben sich hörte sie ein Raunen. Alle hatten das Zögern bemerkt. Du darfst nicht innehalten. Du kannst es. Wie gern hätte sie es ihm zugerufen, doch die Anspannung verschloss ihr die Lippen. Plötzlich stürmte Philips Rappe aus dem Stand heraus los. Chlodwigs Lanze streifte Philips Schild, ohne ihn wirklich zu treffen. Philip traf den Edelknappen am Helm, jedoch nicht so schwungvoll, dass dieser aus dem Sattel gestürzt wäre. Es war mehr eine Berührung, ganz so, als müsse Philip sich erst der Kraft seiner Lanze vergewissern.
»Ich hätte mir mehr von dem Ägypter versprochen«, höhnte Ulrich.
»Er hat einen guten Treffer gesetzt«, widersprach Leopold. »Der Sieg gehört ihm.«
»Ach ja, ich vergaß, Ihr habt ja eine Schwäche für das harmlose Geplänkel, nach dem jener siegt, dessen Lanze den Gegner höher trifft.« Ulrich schnaubte verächtlich und erinnerte Lena plötzlich sehr an Schwester Ludovika. »Ein Sieg, bei dem der Gegner im Sattel bleibt, ist nichts wert. Aber seht, jetzt kommt mein Bruder. Ich hoffe, Euer künftiger Schwiegersohn hält schon die Münzen bereit, um seine Rüstung auszulösen.«
»Warten wir es ab.« Äußerlich blieb Leopold gelassen, doch Lena sah, wie sich seine Finger ineinander verschlangen.
Ulf von Regensteins Pferd schnaubte und scharrte ungeduldig mit den Hufen, während sein Herr die Lanze entgegennahm. Auf der anderen Seite Johann von Hohnstein. Sein Pferd blieb ruhig, fast wie eine Statue. Mechthild faltete die Hände und schickte ein Stoßgebet für ihren Liebsten in den Himmel. Dann der zweite Fanfarenstoß. Ulf von Regenstein trieb sein Pferd so heftig an, dass wieder Grassoden aus dem Boden gerissen wurden. Beide Ritter trafen jeweils den Schild des Gegners. Das Holz der Lanzen splitterte.
»Nun, wie mir scheint, wird Euer Bruder auch schon milde.« Leopold lachte. »Oder wann hat er zuletzt ein Unentschieden erzielt?«
»Warten wir auf den zweiten Gang«, entgegnete der Graf von Regenstein.
Die beiden Ritter erhielten neue Lanzen. Wieder ertönte die Fanfare. Diesmal zielte der Regensteiner auf den Helm des Hohnsteiners. Johann von Hohnstein riss den Schild hoch, doch im nächsten Moment zog Ulf seine Lanze nach unten und traf ihn am unteren Ende des Schildes. Mechthild schrie auf, als ihr Bräutigam das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Mehrere Waffenknechte rannten auf das Turnierfeld, um Hohnstein zu Hilfe zu eilen, doch der hatte sich schon wieder aufgerappelt, allem Anschein nach nur in seiner Ehre verletzt.
»Wie ich schon sagte« – Ulrich von Regenstein lehnte sich genüsslich zurück –, »ein wahrer Sieg wird nur errungen, wenn der Gegner am Boden liegt.«
Es folgten zwei andere Paarungen, die ebenso unspektakulär wie Philips erster Kampf verliefen, dann war Philip wieder an der Reihe. Sein Gegner war diesmal etwas älter.
»Wenn der Ägypter gegen Hademut genauso schwach reitet wie gegen Chlodwig, dann wird mein Bruder heute vermutlich nicht mehr in den Genuss kommen, ihn in den Staub zu stoßen.« Der Graf von Regenstein lachte.
Lenas Herz schlug schneller. Zeigs ihm. Zeig ihnen allen, was du kannst! Du bist der Beste!
Diesmal zögerte Philip nicht. Noch während der Ton der Fanfare in der Luft verhallte, galoppierte sein Rappe an. Beide Ritter trafen, doch Philip konnte den Stoß mit seinem Schild geschickt abwehren, während er seine eigene Lanze mit
Weitere Kostenlose Bücher