Die Sündenheilerin (German Edition)
Gedächtnis.« Der Regensteiner lächelte.
»Otto von Birkenfeld hat Euch damals aus dem Sattel gestoßen, nicht wahr?« Es lag etwas Lauerndes in der Stimme des Fürsten.
»Otto von Birkenfeld war ein außergewöhnlicher Ritter«, antwortete Graf Ulrich gleichmütig. »Sein Verlust war tragisch. Warum ist Graf Dietmar eigentlich nicht anwesend?«
»Er ließ sich entschuldigen. Sein Weib ist seit der Geburt seines Sohnes leidend. Sagt, Herr Ulrich, was haltet Ihr von einer kleinen Wette?«
»Eine Wette? Sehr gern.«
»Ich setze zehn Goldstücke auf Halberstadt beim Buhurt. Und noch einmal fünf, dass Euer Bruder dieses Jahr im Tjost geschlagen wird.«
Ulrich lachte. »Ich schlage ein. Ich habe unter Euren Männern keinen gesehen, dem ich einen Sieg über meinen Bruder zutrauen würde. Oder habt …«
Was der Graf noch sagte, ging im Stoß der nächsten Fanfare unter.
»Aus dem fernen Ägypten kommt zu uns der edle Ritter Philip und reitet für Halberstadt«, donnerte die Stimme des Herolds. Fast wäre Lena aufgesprungen. Philip. An seiner Lanze hing kein Banner, aber sie sah den prächtigen Schild an seinem Arm. Und sie sah das Wappen. Drei Birken über einem springenden Hirsch. Sein Familienwappen vereint mit dem ihren!
Mein Vater erzählte mir, manche Ritter würden das Wappen ihres Weibes in ihr eigenes aufnehmen, wenn es keinen männlichen Erben mehr gibt. Das waren seine Worte gewesen.
Fast wäre ihr das grüne Band aus der Hand geglitten. Stolz ritt er über den Turnierplatz. Nicht in wildem Galopp wie die meisten Ritter, sondern ebenso wie der junge Leopold ließ er seinen Rappen tanzen. Nie hätte Lena gedacht, dass dieses kräftige große Pferd seine Hufe so anmutig heben könne, federnd wie ein Zelter. Philip war noch immer in Schwarz gekleidet, doch auf seinem Waffenrock prangte dasselbe Wappen wie auf seinem Schild. Es war ein Versprechen. Ihr Herz schien ihre Brust zu sprengen, so sehr pochte es, schlug ihr bis zum Hals. Kein Ritter war schöner, edler, stolzer, niemand. Und er hatte ihr Wappen in das seine aufgenommen. Wussten die Menschen, wer er wirklich war? Dass es zwei Wappen waren und nicht nur eines? Und wenn schon, er war bereit, allen zu zeigen, wie sehr er sie verehrte. Wie sehr er sie liebte. So sehr wie sie ihn.
Philip ritt auf die Tribüne zu. Wie alle vor ihm senkte er zunächst die Lanze vor Fürst Leopold, dann hielt er geradewegs auf Lena zu und neigte seine Waffe auch vor ihr. Sie schlang das Band mit ihrer Farbe um die Spitze seiner Lanze. Legte all ihre Liebe und Kraft hinein, auf dass er geschützt und beschirmt sein sollte wie Ritter Gawan im Parzival .
Philips Augen leuchteten. Da war kein Schatten, kein Leid. Das waren die bunten Funken, die sie so sehr liebte. Er neigte noch einmal das Haupt vor ihr, dann wendete er sein Pferd, um das Geviert für den nächsten Ritter zu räumen.
Lena hatte keine Augen für den nächsten Kämpen. Ihre Blicke blieben bei Philip, der seinen Rappen neben die Pferde der anderen Ritter lenkte, deren Vorstellung schon erfolgt war.
Nachdem auch der letzte Ritter durch das Geviert geritten war, dem Fürsten und der Dame seines Herzens die Aufwartung gemacht hatte, liefen zahlreiche Knechte in die Mitte des Kampfplatzes und bereiteten das Feld für den ersten Wettkampf vor.
Hier galt es vor allem, das Geschick der Ritter zu zeigen, mit der Lanze Blütenkränze oder Ringe zu treffen, wirbelnden Schwingpuppen auszuweichen und auf verschiedene Weise das reiterliche Können zu beweisen.
Die ersten Prüfungen waren noch leicht. Jeder der Ritter errang einen der Blütenkränze, die auf den Gestellen hingen, um sie seiner Dame zu überreichen. Dennoch jubelte Mechthild, als hätte Johann allein einen ganzen Krieg gewonnen, als er ihr mit der Lanze seine Beute überreichte.
Lena gab sich taktvoller und belohnte Philip lieber mit einem strahlenden Lächeln, das er auf seine unnachahmliche Weise erwiderte. Wie sehr sie ihn liebte!
»Dieser Ägypter führt ein auffälliges Wappen«, hörte sie Ulrich von Regensteins Stimme, nachdem Philip sein Pferd gewendet hatte.
»Drei Birken über einem springenden Hirsch.«
»Kommt es Euch bekannt vor?« Wieder dieses Lauern in Leopolds Stimme. Wusste der Fürst, wer Philip wirklich war? Aber woher? Hatte Philip sich ihm anvertraut?
»Graf Dietmar führt ein Wappen mit drei Birken, aber keinen Hirsch«, antwortete Regenstein. »Das einzige Wappen, zu dem ein springender Hirsch gehörte, ist
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