Die Sündenheilerin (German Edition)
solcher Härte führte, dass sein Gegner in hohem Bogen aus dem Sattel gehoben wurde.
Jubelschreie im Publikum. Auch Fürst Leopold applaudierte.
»Nun, Herr Ulrich, war das mehr nach Eurem Geschmack?«
Der Graf zog ein Gesicht, als hätte er in eine bittere Frucht gebissen.
»Schon besser. Aber warten wir ab, wie sich Euer Sohn schlagen wird.«
Der junge Leopold ließ sein Pferd wie tags zuvor bis zur Startlinie traben, mit anmutig gewölbtem Hals und federnden Bewegungen. Er hatte an diesem Tag schon zwei Siege errungen, allerdings ohne seine Gegner aus dem Sattel zu stoßen, sondern nur durch den besseren Treffer.
Wieder ertönten die Fanfaren. Beide Ritter galoppierten los. Ulf von Regenstein hielt seine Lanze diesmal erstaunlich tief. Vermutlich rechnete der junge Leopold damit, dass der Regensteiner sie im letzten Moment hochreißen würde, und hielt seinen Schild locker. Alles Weitere ging sehr schnell. Holz splitterte, als beide Ritter trafen, doch Ulfs Lanze war so tief angesetzt, dass sie vom Schild des Halberstädters abrutschte und ihre Splitter die Schabracke und die Flanke von Leopolds Pferd durchbohrten. Das Tier wieherte vor Schmerzen und ging durch. Nur mit Mühe konnte der junge Leopold sich im Sattel halten und sein verwundetes Tier beruhigen, ehe er abstieg.
»Das ist gegen die Regel!« Der Fürst war von seinem Lehnstuhl aufgesprungen. »Die Pferde sind unantastbar!«
»Es war ein bedauerlicher Unfall«, versuchte Ulrich von Regenstein seinen Lehnsherrn zu beruhigen. »Mein Bruder traf den Schild Eures Sohnes. Was kann er dafür, wenn die Abwehrbewegung die Lanzenspitze in die Flanke des Pferdes trieb?«
Lena sah dem Fürsten deutlich an, dass er Ulrich von Regenstein kein Wort glaubte, und auch sie selbst hatte den Eindruck, Ulf von Regenstein habe es absichtlich darauf angelegt, das Pferd des Fürstensohnes zu treffen. Vor allem als sie beobachtete, wie besorgt der junge Leopold um sein Streitross war. Die Verletzung musste schlimm sein, denn der weiße Stoff der Schabracke verfärbte sich immer schneller rot. Das Pferd sank in die Knie, roter Schaum trat aus seinen Nüstern. Verzweifelt versuchte der junge Mann, sein Pferd wieder auf die Beine zu bekommen. Vergebens. Unterdessen war auch Ulf von Regenstein abgestiegen.
»Tut mir leid um Euer Ross. Aber Ihr habt ja noch weitere Pferde. Wie wäre es mit einem zweiten Gang, damit wir feststellen, wer der Bessere ist?«
Leopold fuhr hoch. »Ihr verdient keinen zweiten Gang.«
»Da habt Ihr eine gute Ausrede, um nicht das Los Eures künftigen Schwagers zu teilen. Dann flennt lieber um Euer Pferd.«
Ein Beben lief durch den Leib des Fürstensohnes, doch er beherrschte sich.
Ulf von Regenstein lachte schallend, dann kehrte er zu seinem Pferd zurück und stieg in den Sattel, um sich seinem letzten Gegner zu stellen.
Der erste Fanfarenstoß rief Philip auf seinen Platz. Was hätte Lena darum gegeben, sein Gesicht sehen zu können. Er saß wie ein Standbild auf seinem Rappen, ließ sich von Said die Lanze geben und erwartete den entscheidenden Fanfarenstoß. Es war still geworden. Die eben noch murrende, schreiende Menge schien den Atem anzuhalten.
Du wirst siegen! Du musst siegen!
Dann das Signal. Beide Ritter galoppierten aus dem Stand heraus an, noch ehe der Schall verklungen war. Eine Urgewalt aus Kraft und Verachtung brach gegeneinander los. Philips Lanze traf den Schild des Regensteiners und splitterte. Doch gleichzeitig flog sein eigener Schild getroffen von der gegnerischen Lanze davon. Die Menge schrie auf.
»Erst Euer Wappen, und im nächsten Gang liegt Ihr im Staub!«, schrie Ulf von Regenstein.
Philip warf die zerbrochene Lanze fort. Dann wendete er sein Pferd und galoppierte auf den am Boden liegenden Schild zu. Trotz des schweren Kettenhemdes beugte er sich erstaunlich geschickt aus dem Sattel und hob seinen Schild im vollen Galopp auf.
Triumphierend hielt er ihn in die Höhe. Die Menschen um den Turnierplatz brachen in lauten Jubel aus, als wäre der Kampf schon gewonnen.
»Erinnert Euch das an etwas?« Fürst Leopold schien seine gute Laune nach dem unlauteren Angriff auf das Pferd seines Sohnes zurückgewonnen zu haben. Ulrich von Regenstein knirschte mit den Zähnen.
»Nicht?« Der Fürst lachte. »Wie viele Jahre ist es her? Achtundzwanzig? Oder doch schon dreißig?«
»Siebenundzwanzig«, zischte der Graf.
»Ah, Ihr erinnert Euch doch.«
»Woran, Vater?«, mischte Mechthild sich ein.
»An ein Turnier vor
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