Die Sündenheilerin (German Edition)
Eisenerzdiebstählen und den vielen anderen Gräueltaten. Nur eines verschwieg er. Dass Barbarossa eine Tochter hatte.
»Ihr habt es gehört, meine Herren«, sagte Fürst Leopold, nachdem Philip geendet hatte. »Graf Dietmar von Birkenfeld hat sich zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht. Er soll sich hier vor uns allen verantworten. Ich habe schon dem Bischof eine Nachricht geschickt, damit er den Grafen nach Halberstadt bestellt, um seine Klage gegen Herrn Philip noch einmal vorzutragen. Dort soll er dann erfahren, was wir ihm vorwerfen.«
»Der Fürst ist ein Fuchs«, flüsterte Johann Lena zu. »Damit wird der Graf kaum rechnen.«
Philip hatte Johanns Worte gehört.
»Unterschätzt ihn nicht. Ich gehe jede Wette ein, dass er nicht kommen wird.«
»Er kann es sich nicht erlauben, dem Ruf des Lehnsherrn nicht zu folgen«, widersprach Johann. »Burg Birkenfeld ist nicht so gut befestigt wie Regenstein. Einer ernsthaften Belagerung hätte er nichts entgegenzusetzen.«
»Ich an seiner Stelle nähme das billigend in Kauf, statt freiwillig zur Schlachtbank zu ziehen«, erwiderte Philip.
»Aber wenn er immer noch glaubt, Euch die ganze Angelegenheit in die Schuhe schieben zu können?«
»Er weiß, dass wir Barbarossa gefasst haben. Und welchen Grund sollte der Räuber haben, Dietmar zu schützen?«
»Vielleicht den, Euch zu schaden?«, warf Johann ein.
»Herr Johann, wenn Ihr etwas zu sagen habt, so sprecht bitte laut, damit wir alle daran teilhaben können.«
»Mein Fürst, wir erörterten gerade, welche Möglichkeiten Graf Dietmar bleiben. Ob er tatsächlich kommt oder sich auf Burg Birkenfeld verschanzen wird.«
»Er wird es nicht wagen, sich meinem Befehl zu widersetzen. Birkenfeld würde keiner Belagerung standhalten.«
»Das ist auch meine Meinung, aber Herr Philip sieht es anders.«
»So ist es«, antwortete Philip. »Graf Dietmar hat eine bemerkenswerte Schlauheit an den Tag gelegt, als er sich mit den Halsabschneidern einließ und die Lehnsabgaben immer nach der Übergabe rauben ließ. Glaubt Ihr wirklich, ein solcher Mann sei so arglos, sich aus seiner Deckung zu wagen, mein Fürst? Um Zeit zu schinden, wird er versuchen, eine glaubhafte Ausrede für sein Fernbleiben zu finden.«
»Nun, warten wir es ab.« Der Fürst wählte die gleichen Worte wie während des Turniers, als er mit Ulrich von Regenstein auf Ulfs Niederlage gewettet hatte, und lehnte sich zurück.
»Was wird mit Barbarossa geschehen?«, fragte Lena, als sie an Philips und Johanns Seite den Rittersaal verließ. »Ist es wichtig, dass er gegen Graf Dietmar aussagt?«
»Das würde Herrn Philips Beweisführung erheblich unterstützen«, antwortete Johann.
»Und wenn der Räuber schweigt?«
»Warum sollte er das tun?«, fragte Johann zurück. »Er hat nichts davon, den Grafen zu schützen. Es sei denn, er will dem Eisenmeister die Möglichkeit geben, einige Werkzeuge an ihm zu erproben. Das könnte den alten Schurken doch noch zum Reden bringen, bevor die Axt spricht.«
»Sein Hass wird ihn schweigen lassen«, sagte Philip. »Ganz gleich, was man ihm antut.«
»Oh, da kennt Ihr unseren Meister Hans aber schlecht.« Johann verzog das Gesicht. »Ich würde vermutlich schon reden, wenn er mir nur sein Handwerkszeug zeigt.«
»Wie kommt es nur, dass ich Euch das nicht glaube, Herr Johann?« Philip grinste, und Lena erkannte, wie sehr er den Hohnsteiner inzwischen schätzte.
»Wird man den Räuberhauptmann wirklich foltern?«, fragte sie.
»Wenn er nicht aussagt, gewiss«, beantwortete Johann ihre Frage. »Und nach allem, was er auf sein Haupt geladen hat, hoffen wohl die meisten auf sein Schweigen und eine anschließende hochnotpeinliche Befragung.«
Lena fröstelte. Dieser Mann hatte ihr alles genommen, ihre Familie vor ihren Augen abgeschlachtet und sie selbst beinahe getötet. Sie wünschte sich, Rache zu üben und ihm alles zurückzuzahlen, ihn winseln und schreien zu hören. Doch insgeheim wusste sie, dass ihr dies keine echte Genugtuung verschaffen würde. Im Gegenteil – sollte der Räuber stark genug sein, alle Qualen höhnisch lachend zu erdulden, wäre sie erneut gedemütigt.
Als Said den Hof betrat, um Philip zu begrüßen, zog Lena sich zurück. Sie schätzte Saids unaufdringliche Art, sich stets im Hintergrund zu halten, wenn Philip und sie zusammenstanden. Daher gönnte sie ihm nun das ungestörte Wiedersehen mit seinem Freund von ganzem Herzen. Tante Margarita würde ohnedies schon begierig auf die Neuigkeiten
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