Die Sündenheilerin (German Edition)
Getränke.«
»Welch ein trauriger Glaube, der einem solche Genüsse verbietet.« Graf Dietmar lachte und führte den Becher an die Lippen.
Saids Miene blieb unbewegt, doch auf Philips Gesicht zeichnete sich ein verschmitzter Zug ab. »Das ist Ansichtssache. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren wir zu Gast bei einem vornehmen Scheik, der bekannt ist für seine edlen Rosse. Mein Großvater macht oft Geschäfte mit ihm, der Christ mit dem Muslim, weil beide sich einig sind in der Güte ihrer Stuten und Zuchthengste. Er hatte uns des Abends zu einem Festmahl eingeladen, eine große Ehre. Es gab Lamm und Hammel in den vorzüglichsten Zubereitungen. Der Duft hing über den Zelten des Lagers und wehte bis in die Wüste hinaus. Hinter den Zeltbahnen hörte man Frauen lachen, doch sie zeigten sich nicht. Einige Kinder spielten vor den Zelten und genossen die Freude der Erwachsenen. Dann eröffnete der Scheik das Gastmahl. Und ich wurde auf eine harte Probe gestellt.«
»Weshalb?« Der Graf sah Philip aufmerksam an. Lena hingegen bemerkte Saids stilles Schmunzeln.
»Es war ein Freitag.« Philip grinste. »Der Scheik fragte mich, warum ich nichts von dem Fleisch nähme. Da sprang Said mir bei und erklärte, dass Christen freitags kein Fleisch essen dürften. Und nun ratet, was der Scheik erwiderte.«
»Was erwiderte er?«, fragte der Kaplan.
»Was für ein trauriger Glaube«, antwortete Philip. »Am liebsten hätte er mich gleich zum Islam bekehrt, damit ich von dem Hammel hätte kosten können, aber ich lehnte dankend ab, denn auf Wein und Schinken zu verzichten, wäre mir noch schwerer gefallen.«
Für einen Moment stutzte Dietmar, dann brach er in lautes Gelächter aus, in das die Tischgesellschaft fröhlich einstimmte. Alle, außer Schwester Ludovika. Ihre blauen Augen funkelten Philip zornig an.
»Ihr setzt die heiligen Gebote mit heidnischem Aberglauben gleich?«
»Habe ich das getan, ehrwürdige Schwester?«
»Ihr treibt Spott mit der Unwissenheit der Heiden, nennt einen Heiden Euren Freund, aber doch seid Ihr ihm kein wahrer Freund!« Die Wangen der jungen Nonne waren gerötet. Selten hatte Lena sie so aufgebracht erlebt.
»Bin ich das nicht?«
»Nein, denn wenn Ihr sein Freund wärt, dann hättet Ihr ihn längst gelehrt, die Liebe Christi zu erfahren und dem heidnischen Götzendienst abzuschwören, auf dass seine Seele nicht für immer der Verdammnis anheimfalle.«
Philips Miene verhärtete sich. »Ihr seid eine gläubige Schwester, fromm und gottgefällig, Ludovika. Aber Ihr seid auch noch sehr jung, denn sonst wüsstet Ihr, dass Freundschaft sich nicht dadurch auszeichnet, dem anderen aufzuzwingen, was einem selbst richtig erscheint. Sagt, was wisst Ihr vom Glauben meines Freundes?«
»Er ist ein Heide«, beharrte Ludovika.
»Ein Heide ist jemand, der sich gottlosem Götzendienst verschreibt. Nichts von alledem tut Said. Er führt ein gottgefälliges Leben, doch nach den Geboten, die Gott den Menschen der Wüste gab. Sie trinken keinen Wein, und sie essen kein Schweinefleisch. Sie nennen Christus nicht den Sohn Gottes, sondern einen Propheten, aber jeder gläubige Muslim ehrt auch ihn, so wie er die alten Propheten Abraham und Moses ehrt. Doch als Letzter in der Reihe der Propheten steht Mohammed, dem nach dem Glauben meines Freundes ein Engel selbst die Weisheit des Korans überbrachte. Das ist das heilige Buch der Muslime«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.
»Ihr sprecht, als wärt Ihr selbst ein Heide!«, brauste Ludovika auf. »Nichts anderes ist einer, der leugnet, dass Christus Gottes Sohn ist!«
»Habe ich es geleugnet?« Philips Blick nagelte die junge Nonne fest. »O nein, ich erklärte Euch vielmehr, wie andere Menschen denken. Ich sah wahre Heiden auf beiden Seiten. Menschen, die keinen Glauben haben, die morden und wüten wie die Tiere, sich aber doch hinter ihrer Religion verstecken. Ist es Gottes Wille, dass Menschen einander abschlachten, knöchelhoch durch Blut waten, nur weil sie nicht bereit sind, die Andersartigkeit zu achten? Ich habe manche Gräueltat gesehen, und ich sage Euch: Die christlichen Kreuzritter standen den Sarazenen an Grausamkeit in nichts nach.«
Ludovika war blass geworden. Ob aus Zorn oder Fassungslosigkeit, konnte Lena nicht erahnen.
»Genug davon!«, schritt Graf Dietmar ein. »In meinem Hause dulde ich nicht länger, dass die Erinnerung an die ruhmvollen Taten der Kreuzritter mit dem Wüten der Sarazenen verglichen wird. Mein Bruder war
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