Die Sündenheilerin (German Edition)
schief. Philip klopfte ihm einmal sacht auf die Schulter, dann griff er zu der großen Kanne und füllte Wasser in die Waschschüssel.
Neugierige Blicke folgten ihm, als er in den Stall ging und seinen Rappen holte, doch niemand sprach ihn an. Bereitwillig wurde ihm das Tor geöffnet, als er den Wächter nach dem Weg ins nächste Dorf fragte. Das sei Alvelingeroth, lautete die Antwort, zu Pferd werde er es schnell erreichen, wenn er die schmale Brücke über die Bode nehme und dann dem Hohlweg folge.
»Aber hütet Euch vor dem Geistertor«, mahnte der Wächter ihn.
»Geistertor?« Philip horchte auf. Der Mann grinste. »Hinter den Hügeln liegt der Eingang zu einer großen Höhle, doch kein Mensch, der bei Verstand ist, kommt in ihre Nähe.«
Machte der Mann sich über ihn lustig, oder handelte es sich um einen hiesigen Aberglauben?
»Keine Sorge, nach Geistern steht mir heute nicht der Sinn.« Dann trieb er seinen Wallach an und ritt den steilen Hügel hinab, auf dem die kleine Burg thronte.
Die Brücke war kaum mehr als ein Steg, gerade breit genug, um mit viel Geschick einen Wagen hinüberzulenken. Er folgte der Richtung, die der Wächter ihm gewiesen hatte, bog in den Hohlweg ein, roch den scharfen Rauch der Meiler. Hier ganz in der Nähe befand sich eine der Erzminen, denen der Graf von Birkenfeld seinen Reichtum verdankte. Er begegnete sogar einigen Arbeitern, die einen Handkarren zogen, die Ladung unter einer schmutzigen Decke verborgen. Neugierig glotzten sie dem dunklen Fremden hinterher, er fühlte ihre Blicke kaum noch. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie es seinem Vater anfangs wohl in Alexandria ergangen war, einem hochgewachsenen blonden Mann mit hellen Augen. Vermutlich hatte man ihm ebenso nachgestarrt, doch seit Philip denken konnte, war das nicht mehr geschehen. Vielleicht weil sich die Menschen an ihn gewöhnt hatten, vielleicht auch nur weil sie seine scharfe Zunge und sein noch schärferes Schwert gefürchtet hatten. Kein Gegner hatte seinen Vater werfen können. Keiner bis auf einen …
Philip drückte seinem Wallach die Fersen in die Flanken, um ihn zum schärferen Galopp anzutreiben. Keine alten Erinnerungen mehr, mahnte er sich.
Plötzlich tauchten vor ihm drei Reiter auf. An sich nichts Ungewöhnliches, doch die Art, wie sie nebeneinanderher ritten und dabei den Weg versperrten, beunruhigte ihn. Er ließ sein Pferd zurück in den Trab fallen. Seine Hand tastete unter dem Mantel nach dem Knauf des Schwertes.
Da hörte er einen durchdringenden Pfiff. Er zuckte zusammen und riss sein Pferd herum. Vier weitere Reiter galoppierten von oben in den Hohlweg herab und versperrten ihm den Rückweg. Unter ihnen die rothaarige Räuberbraut auf ihrem Schimmel.
Der Griff des Schwertes lag warm in seiner Hand. Sechs Gegner, sieben, wenn er die Frau dazuzählte. Es wäre ein aussichtsloser Kampf. Seine Finger lösten sich von der Waffe. Wenn er hier bestehen wollte, musste er mit anderen Mitteln streiten. Scheinbar gleichgültig ließ er die Rechte über den Hals seines Rappen gleiten, tätschelte das Pferd und zwang sich zu einem Lächeln, obgleich ihm der Anblick der Räuber die Kehle zuschnürte.
Die Rothaarige lenkte ihren Schimmel näher zu ihm heran. Er sah das Schwert an ihrer Seite. Ob sie es wohl zu führen verstand? Im Rücken fühlte er die Blicke der drei Männer, die ihm entgegengekommen waren.
»Was für eine hübsche Beute.« Sie lachte. »So etwas findet man nicht alle Tage.« Der Schimmel scharrte mit den Hufen und warf den Kopf hoch. »Aber dich sehe ich schon zum zweiten Mal.« Sie musterte ihn mit ihren katzengrünen Augen. Ein Vollblutweib, das wusste, was es wollte. Vielleicht war das seine Rettung.
»Dir gefällt, was du siehst?« Sein Lächeln wurde breiter. Sie war die Anführerin, was scherten ihn ihre Begleiter? Sie galt es zu erobern, dann war der Kampf gewonnen.
Sie lenkte ihren Schimmel um ihn herum, begutachtete ihn wie ein teures Ross auf dem Pferdemarkt. Er rührte sich nicht. War es eine zufällige Begegnung, oder hatte die Bande ihm aufgelauert? Aber woher hätte sie es wissen sollen? Die Männer, an denen er vorübergeritten war, die ihm nachgestarrt hatten? Ein unangenehmes Kribbeln zog durch seine Eingeweide. Er musste die rechte Hand regelrecht in der Mähne seines Rappen verkrallen, um nicht zum Schwert zu greifen.
»Du bist recht ansehnlich«, sagte die Frau, als sie ihre Umrundung beendet hatte. »Ich habe eine Schwäche für dunkle
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