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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gefährliche Reptilien, die dich attackieren können. Manch braver Ehemann ist schon mit ihrem Gift getränkt nach Hause zurückgekehrt – und musste es anschließend teuer büßen. Von seiner armen Frau ganz zu schweigen.«
    Jeder im Haus wusste, wie eifersüchtig Lavinia war. Normalerweise tat Bartolo, als bemerke er es nicht, und überging ihre wortgewaltigen Anfälle mit einem Lächeln oder einer launigen Bemerkung. Heute jedoch schien er in der Stimmung, dagegen aufzubegehren.
    »Falls du auf die dortigen Hurenhäuser anspielst …«
    »Doch nicht vor dem Jungen!«, fiel sie ihm rasch ins Wort. »Ich hoffe, du bist dir der Verantwortung bewusst, wenn du ihn schon unbedingt mitnehmen musst. Die Augen eines unschuldigen Kindes sehen alles. Merk dir das, und handle gefälligst danach!«
    Mario lief dunkelrot an und rannte aus dem Zimmer, Teresa brach in einen ihrer albernen Kicheranfälle aus, und Gemma war mehr als erleichtert, das Haus mit einer guten Ausrede verlassen zu können.
    Doch die seltsame Schwere auf ihrer Brust hatte sich den ganzen Weg über gehalten und wollte selbst jetzt im Färberhaus nicht von ihr weichen. Der stets aufmerksamen Lapa war sie sofort aufgefallen.
    »Was ist mit dir, Gemma?«, fragte sie. »Du kommst mir heute vor wie ein Kälbchen beim allerersten Blitz. Bist du hungrig? Ich hätte da noch eine Schüssel voll köstlicher Nudeln …«
    Gemma wehrte schnell ab. So lieb und einfühlsam Lapa auch war, nicht alle Probleme des menschlichen Daseins ließen sich mit Essen lösen! So ging sie lieber zu Caterina hinüber, die in ihrer Zelle bereits ungeduldig auf sie wartete.
    »Da bist du ja endlich!«, rief sie und streckte Gemma einen Brief entgegen. »Der kam heute Morgen, von meinen beiden Herrn Brüdern. Sag mir sofort, was drinsteht! Ich hasse es, wenn du es genau wissen willst, dass ich nicht selber lesen kann.«
    »Wieso lernst du es dann nicht?«, erwiderte Gemma. »Und das Schreiben gleich mit dazu?«
    Caterina starrte sie ungläubig an. »Ist das nicht sehr schwierig?«
    »Wenn es jedem Kind gelingt, weshalb dann nicht auch dir? Ich verstehe ohnehin nicht, dass du so lange damit gewartet hast.«
    »Wir sind populani «, sagte Caterina, »vergiss das nicht, keine reiche Kaufmannsfamilie wie ihr, in der sogar die Mädchen gut erzogen werden. Die meisten von uns sind Färber geblieben und können ebenso wenig lesen und schreiben wie meine Eltern oder ich. Nur Stefano und Puccio hatten das Glück, die Klosterschule der Dominikaner besuchen zu dürfen – und sieh nur, was aus ihnen geworden ist: feine Ratsherren! Also, was steht in ihrem Brief?«
    Gemma hatte schon begonnen, die nachlässig hingeworfenen Zeilen zu überfliegen, und ließ das Pergament sinken.
    »Ich fürchte, die Antwort wird dir nicht besonders gefallen«, sagte sie. »Ich glaube sogar, du wirst richtig …«
    »Lies endlich vor!«

    Geliebte Schwester im Herrn!
    Wir danken Dir für Deine Zeilen, wissen wir doch, dass sie Deinem treuen und besorgten Herzen entsprungen sind. Frei lich müssen wir Dir erwidern, dass es Dir nicht ansteht, uns sol chermaßen maßregeln zu wollen. Politik in Siena wird vom Rat betrieben, der all seine Entscheidungen nach bestem Wis sen und Gewissen fällt. Du dagegen bist nur ein unwissendes Weib, das abgeschieden und in keuscher Zurückgezogenheit im väterlichen Haus lebt, wie es bei uns der Brauch ist, und daher keine Kenntnis haben kann von den Dingen dieser Welt. Des halb bist Du auch kaum in der Lage, zu begreifen …

    »Das reicht!«, fiel Caterina Gemma ins Wort. »Die beiden Ratsherren halten mich also für eine dumme Gans, die nichts von Politik versteht und deshalb lieber den Mund halten soll.« Auf ihrer Stirn zeigte sich eine steile Falte. »Steht sonst noch etwas von Belang in diesem Traktat? Oder hat sich die Botschaft meiner liebenden Brüder damit erschöpft?«
    »Sie wünschen dir noch die allerbeste Gesundheit und freuen sich, wenn du sie in deine frommen Gebete miteinschließt – Amen.«
    »Darauf können sie sich verlassen – auch wenn dies etwas anders aussieht, als sie es sich vielleicht vorgestellt haben.« Das blasse Gesicht Caterinas hatte sich leicht gerötet, was ihr ausnehmend gut stand. »Sie wollen mich mundtot machen, als habe eine Frau keinerlei Recht zu denken. Wieso hat Gott dann beiden Geschlechtern Kopf und Gehirn gegeben? Doch wohl genau dazu!« Ihre ausgezehrten Finger, die Gemma an Hühnerklauen denken ließen, krampften sich um die

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