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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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aber ist ein gut Ding, sagt schon Christus, der Mund der ewigen Wahrheit, und er weiß wie kein anderer, dass …«
    Matteo hielt plötzlich inne. Vielleicht wäre es ja klüger, zwei unterschiedliche Aufbewahrungsorte für diese geheimen Unterlagen zu wählen, für den Fall, dass einer von ihnen entdeckt werden würde. Er schaute sich im Raum um, berücksichtigte dabei Ornelas Neugierde, falls sie überhaupt je wieder einen Fuß über seine Schwelle setzen würde, und schließlich fiel ihm ein, was er zu tun hatte. Er schlug die alten Pergamente sorgfältig in ein Leinentuch ein. Danach lockerte er mit einem Stemmeisen, das er für gelegentliche Bildhauerarbeiten verwendete, das oberste Schwellenbrett zwischen Arbeits- und Schlaf raum. Der schmale Hohlraum darunter hatte ihm schon einmal als passables Versteck gedient.
    Er hatte Glück. Sein Bündel passte exakt hinein. Er legte die Schwelle darüber, holte einen Hammer und fixierte sie mit einigen Nägeln. Probeweise trat er noch einmal darauf. Das Brett knarzte zwar unter seinem Gewicht, aber alles schien wie bisher.
    Matteo setzte sich auf den Boden und starrte eine ganze Weile blicklos in den erkalteten Ofen. Mit einem Mal zeigte sich inmitten der Asche ein imposanter Feuersalamander, pechschwarz mit brennend gelben Flecken, der sich mit dem Maul in den Schwanz biss. Matteo zwinkerte, rieb sich die Augen, bis sie tränten, doch die Erscheinung hielt sich hartnäckig. Erst als er einen derben Fluch ausstieß und so ungestüm aufsprang, dass der Tonkrug neben ihm umfiel und ein Schwall dunklen Weines sich auf den schmutzigen Boden ergoss, war sie verschwunden.

    ❦

    Jetzt fanden fast täglich im Hof Faustkämpfe statt, als würden Bernardos Engel geradezu darauf brennen, überschüssige Energien im Zweikampf loszuwerden. Anfangs hatte Giovanni noch geglaubt, der Prediger missbillige diese oftmals blutigen Wettkämpfe, weil er dabei niemals in Erscheinung trat. Dann jedoch belehrte ihn Micheles ausgestreckter Zeigefinger eines Besseren.
    Giovanni schaute nach oben – und begriff.
    Vom Balkon des ersten Stockwerks aus wohnte der padre den Kämpfen bei und schien jeden einzelnen in ganzer Länge zu genießen. In Giovanni dagegen zog sich alles zusammen, wenn die Kontrahenten gegeneinander antraten, nicht nur wegen der Wunden und Knochenbrüche, die oftmals Resultat des sogenannten Spiels waren. Er hasste es, dabei zusehen zu müssen, wenn geballte Fäuste gegen empfindliche Körperteile wie Zähne, Ohren und Nasen prallten, wenn Magenschwinger den Gegner zum Aufjaulen brachten und der Unterlegene schließlich gurgelnd und blutend zu Boden ging.
    Es war noch schlimmer geworden, seit die Engel an eine Partie scharfkantiger Lederriemen gekommen waren, die beim Kampf großzügig eingesetzt wurden und massive Verletzungen hervorriefen. Doch die jungen Männer schienen wie im Blutrausch, und selbst der Prediger, der bislang eher Zurückhaltung geübt hatte, feuerte nun die Kämpfenden lauthals an.
    Die heutige Partie missfiel Giovanni ganz besonders, denn der Herausforderer war Michele, der zunächst versucht hatte, ihn als Gegner zu gewinnen, wogegen Giovanni sich allerdings erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte. Dem Freund mutwillig ein Leid zufügen? Für ihn ein Ding der Unmöglichkeit.
    Stattdessen trat nun Albano gegen Michele an, ein stämmiger, nicht sonderlich intelligenter Junge, der zum Ausgleich die Kräfte eines jungen Bären besaß. Drei Runden wurde bereits gekämpft, und noch immer zeichnete sich keinerlei Vorteil ab. Schläge freilich waren schon ausreichend gefallen; Micheles Stirn verunzierte eine hässliche Platzwunde, und der Bär hatte in einem Schwall von hellem Blut zwei Zähne ausspucken müssen, was seine Kraft zunehmend in rohe Raserei verwandelte.
    Die beiden waren nackt bis auf ein Lendentuch, ihre muskulösen Leiber glänzten vor Schweiß. Mit der Anmut eines jungen Hengstes umtänzelte Michele Albano, der immer wieder mit seinen kräftigen Armen ausholte und vergeblich versuchte, ihn mit einem kapitalen Treffer zu erledigen. Die faszinierten Zuschauer gerieten mehr und mehr in Rage. Dieser Kampf zweier so unterschiedlicher Temperamente zog jeden in seinen Bann.
    Jetzt schwang der Bär abermals die Fäuste, doch Michele entwand sich ihnen durch eine geschickte Drehung, griff Albano seitlich an und ließ ihm dabei mit einer unerwarteten Vorhand die Rechte direkt auf die Nasenwurzel krachen. Der Getroffene stöhnte auf und sank in sich zusammen.

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