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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zuzuschreiben.« Lavinia hatte dicke Lider, die von anhaltender Schlaflosigkeit zeugten. Aber sie plagte weniger die Sorge um die Eingesperrte, sondern die Frage, wie es mit der restlichen Familie nun weitergehen solle. »Wieso musste sie ihrem Mann auch davonlaufen? Damit hat das ganze Übel erst angefangen.«
    Bartolo warf ihr einen schneidenden Blick zu. »Du enttäuschst mich zutiefst, Lavinia! Allenfalls könnte ich dir noch zugute halten, wie wenig du Bescheid weißt. Denn dieser Lupo di Cecco ist in Wahrheit ein Teufel in Menschengestalt – und keineswegs der Ehrenmann, den er uns vorgegaukelt hat.«
    »Wollest du ihn damals nicht unbedingt zum Schwiegersohn haben?«
    »Bring die Dinge nicht durcheinander!« Die dicke Ader an Bartolos Stirn zeigte, wie wütend er geworden war. »D ir konnte es seinerzeit doch nicht schnell genug gehen, meine Älteste an ihn zu verschachern. Ein unverzeihlicher Fehler, wie ich nicht erst seit heute weiß. Denn er hat mich nicht nur um eine stattliche Schiffsladung Salz betrogen, sondern Gemma schlimmer behandelt als ein Stück Vieh. Sie hatte allen Anlass, das Weite zu suchen.«
    »Und beides willst du hinnehmen«, keifte sie zurück, »ohne dich gegen di Cecco zu wehren?«
    »Natürlich nicht! Ich hab die Unterlagen und Beweise schon alle zusammengetragen. Sobald der Palio vorbei ist, werde ich den Rat in Kenntnis setzen.« Seine Hand zitterte leicht, als er den Becher an die blassen Lippen setzte und trank. Seine Stimme jedoch war fest. »Aber zuerst gibt es Wichtigeres zu tun! Natürlich sind die Beschuldigungen gegen Gemma haltlos, das kann doch jeder erkennen, der einen Funken Verstand besitzt. Gemma liebt Kinder. Niemals hätte sie einem dieser unschuldigen Wesen etwas angetan!«
    »Und wieso hat man sie dann angeklagt?«, fragte Lavinia in spitzem Tonfall. »Dazu muss es doch triftige Gründe geben! Immerhin hat man sie nachts im Hospital ertappt, wo sie sich heimlich eingeschlichen hat, um in amtlichen Unterlagen zu wühlen. Was in aller Welt hatte sie da zu suchen, frage ich dich, anstatt am Bett des kranken Vaters zu wachen, wie jede andere besorgte Tochter es an ihrer Stelle getan hätte?«
    »Weil sie den wahren Schuldigen noch nicht gefunden haben oder ihn vielleicht gar nicht finden wollen.« Bartolo schien wenig daran interessiert, auf das Thema der Unterlagen einzugehen. »Und der aufgebrachten Meute schnell eine Mörderin präsentieren wollen, um sie zu beruhigen, auch wenn Gemma es gar nicht gewesen sein kann?« Er wiegte seinen Kopf, der in den letzten Tagen noch grauer geworden war. »Mein Mädchen muss Feinde haben, von denen wir bis jetzt nichts gewusst haben. Nur so kann ich es mir überhaupt erklären. Einflussreiche Feinde, die offenbar entschlossen sind, sie zur Strecke zu bringen.«
    »Muss Gemma jetzt sterben?«, rief Teresa, die bislang nur mit verweintem Gesicht zugehört hatte.
    »Gemma darf nicht sterben!« Lucia begann lauthals zu schluchzen, klammerte sich an die ältere Schwester und war nicht mehr zu beruhigen. »Sonst will ich auch nicht mehr weiterleben!«
    »Da siehst du, was du schon wieder angerichtet hast!«, rief Lavinia erbost. »Deine Kinder – kennst du denn gar kein Erbarmen? Wie werden unsere Mädchen nun dastehen mit einer Halbschwester, der man die schwersten Verbrechen anlastet? Kein junger Mann aus guter Familie wird sie mehr zur Frau haben wollen, nicht einmal nach vielen Jahren!«
    Sie schniefte und versuchte, die beiden an sich zu drücken, doch Teresa und Lucia rissen sich los und liefen aus dem Zimmer.
    »Ich hab nicht nur diese beiden Töchter«, entgegnete Bartolo dumpf. »Ich muss auch an …«
    »An sie hast du doch schon viel zu viel verschwendet! Hochzeitsfeier, Mitgift und Aussteuer – und jetzt auch noch all das schöne Silber, das du für deine sinnlosen Bestechungsversuche aufbringst. Einmal muss Schluss sein! Schluss, verstehst du, Bartolo? Mein Vater wusste schon, weshalb er unbedingt auf einem Vertrag für diese Ehe bestanden hat!« Jetzt schrie Lavinia. »Und ich danke ihm noch heute dafür. Denn es ist schließlich auch mein Vermögen, von dem du so bedenkenlos zehrst, vergiss das nicht! Ich könnte von dir, wenn ich wollte, verlangen, dass du über jede einzelne Lira Rechenschaft ablegst.«
    »Noch bin ich das Oberhaupt dieser Familie, und so lange ich zu sagen habe, was …«
    »Seid still!«, schrie Mario, der den Streit mit immer ängstlicherem Gesichtsausdruck verfolgt hatte. »Seid endlich still,

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