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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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oder später auffliegt!«
    Marias Gesicht hatte sich dunkelrot gefärbt. »Lasst Ihr mich ein paar Augenblicke allein?«, fragte sie.
    Mamma Lina kam der Bitte nach und betrat das Zimmer erst wieder, als das Mädchen suchend den Kopf herausstreckte.
    »Jetzt fühle ich mich viel besser«, sagte Maria. Sogar die Beinlinge hatte sie halbwegs säubern können. »Habt tausend Dank, Mamma Lina! Nur eine Frau konnte mich aus dieser Not erlösen, und Lavinia hätte ich niemals zu fragen gewagt.«
    »Aber damit ist dein Problem noch nicht gelöst«, sagte Lina. »Du wirst einige Tage lang stark bluten und danach Monat für Monat von Neuem, solange, bis du eines Tages …«
    »Ich weiß«, sagte Maria. »Und ich weiß auch, dass alles ohnehin bald aufkommen muss.« Sie zog die Schultern fast bis zu den Ohren. »Ich bin nur nach Siena gekommen, weil mein Bruder plötzlich verstorben ist. Die Halsbräune – es ging so schnell, dass wir alle es nicht fassen konnten. Was sollte Vater tun? Er hatte es Mamma am Sterbebett geloben müssen, dass Mario eine Lehre bei zio Bartolo machen würde, um die Familie endlich wieder zu versöhnen. Und jetzt war sein einziger Sohn tot und diese Gelegenheit scheinbar für immer vertan. Da hab ich mich bereit erklärt, an seiner Stelle zu gehen, hab mir die Haare abgeschnitten und einfach seine Kleider angezogen. Aus Maria wurde Mario – alles schien so einfach. Doch mein Körper hat mir einen Streich gespielt, wahrscheinlich auch durch das gute Essen, das ich hier bekommen habe, nachdem wir zu Hause oft hungrig vom Tisch aufstehen mussten, weil das Geld so knapp war. Mein Körper hat sich, schneller als gedacht, verändert, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, ist immer runder, voller und weiblicher geworden. Und nun auch noch das! Schon seit zwei Monaten geht das so.« Sie deutete auf ihren Schoß. »Ich will zio Bartolo ja endlich die Wahrheit sagen, aber erst, wenn Gemma wieder frei ist. Wie könnte ich ihn jetzt damit belasten, sagt selber!«
    Linas Züge hatten sich verhärtet. »Es sieht schlecht für Gemma aus«, sagte sie. »Sehr schlecht sogar.«
    »Ihr glaubt doch nicht, dass sie …«
    »Gemma könnte niemals Mauro oder Cata wehtun, geschweige denn ein Kind töten, das wissen wir beide. Aber es scheint Leute in dieser Stadt zu geben, die die Öffentlichkeit genau das glauben machen wollen. Gemma muss einflussreiche Feinde haben. Dabei dachte ich bislang immer, man habe es auf mich abgesehen, um mich zum Schweigen …«
    »Aber wir können doch nicht einfach abwarten«, fiel Maria ihr ins Wort. »Egal, was auch immer dahintersteckt – wir müssen etwas unternehmen!«
    »Genau das habe ich vor«, sagte Mamma Lina. »Ich werde nicht zulassen, dass sie eine Unschuldige bestrafen und dafür einen Mörder laufen lassen.«
    »Aber wie wollt Ihr das anstellen?«
    »Je weniger du darüber weißt, Mädchen, desto besser.« Linas Gesicht hatte sich abermals verschlossen, war wieder hart und fremd geworden. »Es gibt gewisse Dinge, die sollten so junge Wesen wie du gar nicht erfahren.«
    »Weiß man, woran die beiden Kinder gestorben sind?«, fragte Maria. »Waren sie krank?«
    Mamma Lina zuckte müde die Schultern. »Nein, das waren sie sicherlich nicht. Ich weiß nur, man hat beide vor dem großen Brunnen gefunden, beinahe an der gleichen Stelle. Als ob übergroßer Durst sie dorthin getrieben hätte. Doch in meinem Haus musste niemals ein Kind hungern oder Durst leiden, das kannst du mir glauben. Ich hab stets für alle gesorgt, so gut ich nur konnte.«
    Ihre Tränen begannen zu fließen, und jetzt war es Maria, die ihr tröstend die Hand auf den Arm legte.
    »In Augsburg, meiner Heimatstadt«, sagte sie nachdenklich, »da lebte ein Mann, der war geradezu verrückt nach Salz. Nicht so wie mein Vater Ulrich, der Tag und Nacht davon geträumt hat, in den Salzhandel einzusteigen, und der alles dafür getan hätte. Dieser andere Mann war regelrecht besessen vom Salz. Immer mehr hat er davon gebraucht und hat auch, wie sich später herausstellte, seine Kinder dazu genötigt, Salz in übergroßen Mengen zu essen.«
    »Wieso erzählst du mir diese seltsame Geschichte?« Linas graue Augen waren voller Abwehr. »Was bezweckst du damit?«
    »Wartet, Ihr werdet es gleich verstehen! Sein jüngster Sohn hat sich geweigert, weil ihm vor dem vielen Salz ekelte, da hat der Vater ihn dazu gezwungen, es doch zu essen. Hans, so sein Name, kam zu uns gelaufen, zitternd, elend, halb verwirrt, als würde er

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