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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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alle beide! Gemma sitzt im Kerker, und ihr keift euch an wie Marktweiber. Wieso versucht ihr nicht lieber, ihr zu helfen? Sie braucht unsere Hilfe jetzt doch so dringend!«
    Mit schmerzverzerrter Miene presste er sich die Hände auf die Ohren, während Bartolo und Lavinia ihn verdutzt anstarrten. Nachdem aber keine tröstende Antwort kam, auf die er so sehnsüchtig gewartet hatte, drehte er sich um und rannte ebenfalls aus dem Zimmer.
    »Wo willst du hin, Mario?«, hörte er Teresa rufen, da hielt er bereits die Klinke der Haustüre in der Hand. »Nimm mich mit! Wie kann ich ohne dich noch hierbleiben?«
    Doch es gab schon mehr als genug, was Mario allein mit sich auszumachen hatte. Denn da war es wieder, dieses scheußliche Stechen im Unterbauch, beinahe, als schneide ein scharfes Messer durch die Eingeweide. Was danach kommen würde, wusste er inzwischen nur allzu gut, und tatsächlich spürte er es auch schon wieder, dieses verräterische warme Tröpfeln, das sein baldiger Untergang sein konnte, sobald jemand es bemerkte.
    Wohin nur sollte er sich wenden? Wen um Hilfe bitten? Auf der Gasse schaute Mario verzweifelt nach links und rechts. Gemma, die einzige Zuflucht weit und breit, steckte selber in allergrößten Schwierigkeiten und war unerreichbar. Aber es gab ja noch ihre Freundin Mamma Lina!
    Die schlanken Beine setzten sich wie von selber in Bewegung. Er lief nicht zu schnell, damit die provisorische Einlage, zu der er in seiner Not gegriffen hatte, bloß nicht verrutschte.
    Vor Mamma Linas Haus angekommen, ließ er den Klopfer so hart gegen das Holz krachen, dass er selber erschrak. Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis sie ihm öffnete. Ganz in Schwarz gekleidet, das Gesicht schmal vor Kummer, die Augen stark gerötet. Die gebeugte Gestalt vor ihm besaß kaum noch Ähnlichkeit mit der schönen, strahlenden Frau seiner Erinnerung.
    »Ihr seid meine allerletzte Hoffnung!«, stieß Mario hervor. »Ich bin Gemmas junger Verwandter aus Augsburg, der schon einmal hier war. Verzeiht, ich weiß, dass Ihr gerade einen schrecklichen Verlust erlitten habt. Doch steht mir trotzdem bei, ich flehe Euch an bei allen Heiligen, ich stecke in größten Schwierigkeiten.«
    Lina starrte auf den verschwitzten mageren Jungen, der sich beim Reden offenbar vor Schmerzen krümmte. Schließlich fiel ihr Blick auf seine Beinlinge, die sich an der Schenkelinnenseite dunkel färbten.
    »Komm herein!«, sagte sie und führte ihn in den Raum mit dem großen Tisch. »Was ist geschehen?«
    Jetzt kämpfte Mario mit den Worten, doch die Wahrheit musste heraus – endlich. »Könnt Ihr nicht abschließen?« Mehr ein hilfloses Krächzen als eine Bitte.
    »Sie trauern alle um ihre kleine Schwester«, sagte Lina.
    »Keiner wird uns jetzt stören. Also?«
    Statt einer Antwort zog Mario seine Schecke aus, danach das Wams. Als er auch noch sein Hemd abstreifen wollte, hielt Lina ihm abwehrend die Hand entgegen, um ihm Einhalt zu gebieten. Doch er schüttelte nur kurz den Kopf und ließ sich von seinem Tun nicht abbringen.
    Lina verschlug es den Atem, was sie zu sehen bekam: breite Leinenbinden, fest um den Oberkörper gewickelt, damit dieser unter dem Hemd möglichst flach wirkte. Mario löste sie ungeduldig, Schicht um Schicht, bis er schließlich nackt vor ihr stand.
    Zarte, mädchenhafte Brüste mit rosigen Spitzen, so makellos, wie sie nur in der ersten Jugendblüte sein können.
    »Du bist ein Mädchen!«, entfuhr es Lina. »Ein junges, wunderschönes Mädchen!«
    Das Mädchen nickte, begann zu weinen. »Ich heiße Maria«, sagte es. »Und ich blute.«
    Tapfer versuchte sie, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, und musste schließlich doch kapitulieren vor der Flut, die sich jetzt unaufhaltsam Bahn brach.
    »Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte«, schluchzte sie. »Gemma, der ich als Einziger vertraue, haben sie eingesperrt, und zio Bartolo darf es doch nicht erfahren …«
    »Zieh dein Hemd wieder an, Maria!«, sagte Lina. »Und dann lass mich sehen, wie ich dir helfen kann.«
    Sie ging hinaus und kam nach einiger Zeit mit einem Krug Wasser, einer Waschschale, Tüchern und einem Stapel geschnittener Leinenstreifen zurück, die sie dem Mädchen reichte.
    »Die hab ich eigentlich für unsere Mia vorbereitet«, sagte sie. »Zum Glück ist unser Vorrat groß genug. Was hast du dir bei dieser Maskerade nur gedacht? Die Natur lässt sich nicht dauerhaft belügen. Du hättest doch wissen müssen, dass deine Verkleidung früher

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