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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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einem Halt, doch ihre Kraft erlahmte nur zu schnell und sie …
    Schweißgebadet erwachte Gemma. Es dauerte, bis ihr Herzschlag sich beruhigt hatte und sie begriff, wo sie war. Ihr altes Mädchenzimmer im obersten Stockwerk war unverändert bis auf die lichtblauen Wände mit dem neuen Gobelin, ein Wunsch von Teresa, die ihr mittlerweile angestammtes Reich nur unter Protest wieder an die große Schwester abgetreten hatte. Tatsächlich schien auch sonst niemand von der Familie sonderlich begeistert über ihre Rückkehr, sah man einmal von der kleinen Lucia ab, die die ersten Tage nicht mehr von ihrer Seite gewichen war. Inzwischen jedoch hatte sie sich offenbar daran gewöhnt, dass Gemma wieder bei ihnen lebte, und warf ihr, bevor sie sich wieder ihrem kindlichen Spiel zuwandte, nur noch hie und da eine verstohlene Kusshand zu, die ihre Mutter Lavinia besser nicht zu Gesicht bekam.
    Bartolos Gattin hielt sich mühsam in Schach, das war ihr anzumerken. Mehr als ein paar unfreundliche Sätze hatte sie der ungeliebten Stieftochter gegenüber bislang noch nicht geäußert, doch in der Abgeschiedenheit der ehelichen Schlafkammer legte Lavinia sich offenbar weniger Zurückhaltung auf. Seit ihrer Krankheit im letzten Herbst war sie noch launischer und anspruchsvoller geworden; in ihren Augen war die ganze Welt dazu da, um auf sie Rücksicht zu nehmen und ihr zu Gefallen zu sein – und wehe, das geschah einmal nicht!
    Jedenfalls sah Bartolo Santini Morgen für Morgen so trübsinnig und zerknittert drein, dass Gemma sich langsam um ihn sorgte. Dabei gelang ihm das Kunststück, nie mals länger als ein paar Augenblicke allein mit ihr zu bleiben, als würde er derartige Situationen geradezu meiden. Gemmas anfängliche Zuversicht, sie könne ihm schon bald in Ruhe darlegen, was sie dazu bewogen habe, Lupo für immer zu verlassen, hatte mittlerweile tiefe Risse bekommen.
    Auch an diesem Morgen zögerte Gemma aufzustehen, sich zu waschen und anzukleiden, um zu den anderen hinunterzugehen. Wenn sie halbwegs ehrlich mit sich selber war, kam sie sich im Haus ihres Vaters wie eine Fremde vor, eine Fremde zwar, der man einigermaßen höflich begegnete, aber das war auch schon alles. Die meiste Aufmerksamkeit schenkte ihr noch Nonna Vanozza, die mit der Heirat ihrer Tochter Lavinia zur Familie gekommen war und seitdem nicht müde wurde, alles und jeden zu kommentieren.
    »Du wirkst schon jetzt erschöpft, Kind«, sagte sie beispielsweise, als die Rede darauf kam, dass Gemma in der Küche von Santa Maria della Scala gearbeitet hatte. »Und du solltest wissen, dass nicht alle Menschen gleichermaßen für jede Tätigkeit geeignet sind.«
    Wohlgefällig betrachtete sie ihre zarten Hände mit den polierten, mandelförmigen Fingernägeln, die noch nie im Leben bei harter Arbeit gesplittert waren.
    »Wenn du schon unbedingt den Rücken krumm machen willst, warum dann nicht zum Wohle deiner eigenen Familie? Meine liebe Lavinia könnte etwas Unterstützung sehr wohl gebrauchen, jetzt, wo du wieder in ihrem Hause lebst. Du weißt doch genau, wie delikat es um ihre Gesundheit bestellt ist, nachdem sie sich seit Jahren zu viel zumutet.«
    Die Spitze saß, doch Gemma gab sich Mühe, sie nicht zu ernst zu nehmen. Sollte Nonna Vanozza nur reden! Oftmals geriet sie ja selber mit ihrer herrschsüchtigen Tochter hart aneinander, bis sich die beiden irgendwann wieder versöhnten und dann gemeinsam auf den Rest der Familie losgingen. Lavinia und Gemma – das waren zwei linke Schuhe, so war es von Anfang an gewesen und bis heute geblieben. Besser, sie gingen sich aus dem Weg. Besser, sie ließen es erst gar nicht zu einem handfesten Streit kommen.
    So wartete Gemma ab, bis sie sicher sein konnte, dass die morgendliche Tafel aufgehoben und Bartolo sich zusammen mit dem alten Luca, der ihn Tag für Tag abholte, nach gegenüber ins Kontor verzogen hatte. Erst dann schlich sie in die Küche, holte sich einen Becher Milch und ein Stück Brot und schwatzte der Köchin zwei große Rosinenfladen ab. Sie hatte beschlossen, dem Kinderhaus von Mamma Lina einen Besuch abzustatten, weil die Kleinen mit ihrer ansteckenden Lebendigkeit ihr fehlten.
    Alle umringten sie, als sie dort ihre Köstlichkeiten auspackte, und heute war keine Rede mehr von strengen vorösterlichen Fastengeboten, sodass die mitgebrachten Fladen in Windesweile verputzt waren. Cata kletterte auf Gemmas Schoß, nachdem sie satt war, und lehnte den Kopf an ihre Brust.
    »Liebe Gemma!« Genießerisch

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