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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Rücken, als wäre sie eine Ausgeburt der Hölle und ihr Makel ansteckend, und waren sichtlich erleichtert, wenn sie endlich an ihr vorbei waren. Die Mauern des Hospitals boten einen gewissen Schutz und hatten ihr im Lauf der Zeit größeres Selbstvertrauen geschenkt. Dennoch musste sie mit ihrem Aussehen leben, Tag für Tag, Jahr um Jahr.
    »Du bist meine kluge Vertraute, meine treueste Verbündete.« Müdigkeit lag in seiner Stimme, ebenso wie Zärtlichkeit. »Du weißt alles von mir. Ist das nicht schon sehr viel?«
    Sie wich zurück, als könne sie die Berührung plötzlich nicht mehr ertragen.
    »Weiß ich das wirklich, Matteo?«
    »Nur ein Wort von dir – und mein Leben wäre verwirkt. Mein Schicksal ruht in deinen Händen. Auf ewig werde ich dir dankbar sein, Celestina.«
    Sie zwang sich ein Lächeln ab.
    »Lass uns lieber vom Augenblick reden. Du kannst sie wiedersehen, deine Gemma. Denn das möchtest du doch, oder etwa nicht? Ich nehme an, du hast sie bereits gesucht?«
    »Woher weißt du das schon wieder?«
    »Weil ich dich inzwischen beinahe so gut kenne, als hätte ich dich geboren.«
    »Gemma heißt sie?« Sein Blick wurde weich. »Der Name passt zu ihr.«
    Celestinas Lächeln erlosch. »Vermutlich musst du dich nicht einmal mehr allzu lange gedulden. Sie bereitet seit Mitternacht zusammen mit ein paar anderen Frauen das Festessen für die Waisenkinder vor.«
    »Dann wird sie später auf dem Domplatz sein?« Plötzlich klang er wie ein aufgeregter Junge. »Bist du sicher?«
    Sie wiegte langsam den Kopf. »Ich denke, ja. Gut möglich allerdings, dass dort noch jemand anderer nach ihr Ausschau halten wird. Du kennst doch Cecco, Lupo di Cecco?«
    »Nur dem Namen nach. Ein Kaufmann, wie ich glaube, oder?«
    »Ein vermögender Handelsherr mit großen Ambitionen. Jemand, der, wie die Leute hier sagen, mit allen Wassern gewaschen ist. Jemand, der nicht lange fackelt, wenn etwas seinen Vorstellungen zuwiderläuft.«
    »Und was hat Gemma mit diesem Cecco zu tun?«
    »Einiges, Matteo, leider. Denn dieser Lupo di Cecco ist ihr Ehemann«, sagte Celestina bedächtig.
    Jetzt begannen die Glocken zu läuten, die dunkel, voll klingenden des gegenüberliegenden Doms, die so mächtig hallten, dass das lang gestreckte Gebäude des Hospitals zu erzittern schien; kurz danach fielen die heller klingenden der anderen Kirchen ein.
    Nevio fuhr schlaftrunken hoch.

»Die Glocken!«, rief er. »Sie sind zurück aus Rom geflogen und rufen uns zur Messe. Wir müssen sofort …«
    Matteo bekam ihn gerade noch am Hemd zu fassen.
    »Wir gehen ja«, sagte er. »Und natürlich zusammen, wie es sich für Meister und Lehrling gehört. Aber erst, wenn wir uns gründlich gewaschen und frische Kleidung angelegt haben.«
    Celestinas Worte wirkten in Matteo weiter, obwohl es ihm zunächst gelang, äußerlich ruhig zu wirken. Hatte sie ihm das erzählt, um sich für seine Gleichgültigkeit ihr gegenüber zu rächen? Oder war die versteckte Warnung freundschaftlicher Natur und daher sehr ernst zu nehmen?
    Fest stand jedenfalls, dass Gemma nicht mehr frei war. Keinen Augenblick hatte er diese Möglichkeit bislang in Betracht gezogen. Dennoch blieben viele Fragen offen. Wenn sie das Weib eines reichen Händlers war, was in aller Welt hatte sie dann in der Armenküche von Santa Maria della Scala zu suchen?
    Die ganze Zeit konnte Matteo an nichts anderes mehr denken, fühlte sich aufgekratzt und erschöpft zugleich. Alles ringsumher flog an ihm vorüber wie im Traum oder im Fieberwahn: das Entzünden des riesigen Feuers vor dem Domportal, das Weihen der Osterkerzen, die feierliche Prozession in das dunkle Kirchenschiff, in das jetzt das Licht der Welt zurückkehrte. Die österliche Liturgie, die er von allen Feierlichkeiten im Jahreskreis am meisten liebte, erschien ihm heute endlos, obwohl der füllige, blonde Domherr, der die Messe zelebrierte, dies feierlich und ruhig tat. So stark stieg die Spannung in Matteos Körper, dass er fürchtete, sie könne sich womöglich in unkontrollierten Zuckungen entladen.
    Der Junge neben ihm schien zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Auch er rutschte unruhig hin und her, sah ihn immer wieder besorgt an und einmal berührte er ihn sogar kurz mit seiner schwieligen Hand.
    Matteo aber blieb ein Gefangener seiner inneren Welt. Wer war sie, jene Frau, die dem Gesetz nach einem anderen gehörte, von ihm aber nach und nach immer mehr Besitz ergriff?
    Die Frauen im Dom hatten offenbar ihre Festkleider aus den

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