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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Mantellatinnen, Caterinas Gefolge, eine Gruppe ernster, junger Frauen in weißen Schleiern und dunklen Umhängen, die kaum von der allgemeinen Fröhlichkeit angesteckt schienen. Eine von ihnen wollte Mamma Lina offenbar werden, daher das seriöse Auftreten, die Kleidung, das Benehmen. War sie deshalb nach Siena gekommen – und das Kinderhaus war lediglich ein Schritt dorthin?
    Gemma fühlte, wie Neugierde in ihr erwachte. Sie war fasziniert von dieser jungen Frau, die ungewöhnlich erfahren für ihre Jahre schien. Sie wirkte so gesammelt, so gelassen, und dennoch konnte Gemma dahinter etwas anderes spüren, das genauer zu benennen ihr nicht gelingen wollte. Wie ein geheimnisvoller dunkler Engel war sie plötzlich in Gemmas Leben aufgetaucht, hatte sie mit sanftem Druck dazu gebracht, nach Hause zurückzukehren und trotzdem dem Hospital ihre Hilfe anzubieten, eine Entscheidung, die ihre Familie aus ganzem Herzen verabscheute, die für Gemma aber genau richtig gewesen war.
    Hätte sie ohne Mamma Linas Eingreifen auch so gehandelt?
    Spitze Kinderschreie holten sie in die Wirklichkeit zurück. Ein Stück entfernt sah sie einen muskulösen jungen Mann, an dessen ausgestreckten Armen Angelina und Mauro schaukelten, beide mit seligen Gesichtern, während die kleine Cata ungeduldig vor ihnen hin und her trippelte. Wer die beiden hielt, als seien seine Muskeln aus Eisen, war Leo, der Gehilfe des Apothekers, der gelegentlich auch in Lupos Haus Medikamente geliefert hatte, doch niemals zuvor hatte Gemma ihn derart glücklich gesehen. Seine Augen strahlten, und seine Lippen waren zu einem breiten Grinsen verzogen; es schien ihm seltsamerweise höchstes Vergnügen zu bereiten, als menschliches Klettergerüst zu dienen.
    Irgendwann setzte er die beiden ab, die lauthals protestierten, aber jetzt kam endlich Cata an die Reihe, und es überraschte Gemma, wie behutsam er das Mädchen hochhob und sich auf die Schultern setzte. Ihr kleines Mondgesicht schien zu leuchten, als sie nun hoch über allen anderen thronte; die Füße trommelten gegen seine Brust, und Leo schien sofort zu verstehen, was das zu bedeuten hatte. Wie ein gehorsamer Gaul setzte er sich in Bewegung, begann zu traben, schließlich zu galoppieren und wieherte dabei so hingebungsvoll, dass es verblüffend lebensecht wirkte.
    »Einen Narren hat er an ihnen gefressen«, sagte Mamma Lina, als Gemma neben Mia und Raffi, die noch immer mit Essen beschäftigt waren, auf der Bank Platz nahm. Lelio sprang irgendwo mit seinem Keulenstück herum. »Und alle Kinder lieben ihn. Vielleicht, weil er selber bis heute ein großes Kind geblieben ist.«
    Gemma sah sie überrascht an. Niemals zuvor hatte sie sich Gedanken über diesen ungeschlachten jungen Mann gemacht, der keine Miene verzog und in dessen Gegenwart man sich eher verkrampfte, als sich zu entspannen, weil seine Kraft so einschüchternd wirkte.
    »Woher weißt du so viel über die Menschen?«, sagte sie zu Lina. »Wer hat dir das beigebracht?«
    »Ich bin eine gute Beobachterin«, sagte Lina und schien sich über die vertrauliche Anrede zu freuen. »Und ganz schön herumgekommen. Da lernt man so einiges.«
    Sie schob die halb geleerten Schüsseln näher zu Gemma.
    »Du solltest dich beeilen«, sagte sie. »Schließlich habt ihr das alles gezaubert, während wir noch friedlich geschlummert haben. Willst du nicht endlich zulangen, Gemma, bevor sie alles verschlungen haben?«

    ❦

    Gerade noch hatte er eifrig dem blonden Kanonikus gelauscht, dessen Name Domenico Carsedoni lautete, wie Matteo inzwischen erfahren hatte, doch plötzlich war da nur noch ein dumpfes Rauschen. Während der Geistliche weiter über Anna, Joachim und die sündenlose Kindheit der Muttergottes räsonierte, ein für alle erstrebenswertes Vorbild, hämmerte das Blut in Matteos Ohren.
    Da war sie, seine Madonna, und sah genauso aus wie in seinen süßesten Träumen! Natürlich trug sie Rot und Blau, dazu eine schmale weiße Perlenschnur, die elegant wirkte. Das braune, in Wellen hochgesteckte Haar entblößte ihren schlanken Hals, den er am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. Wie es sich wohl anfühlen würde, die weiche Pracht zu lösen und die Hände darin zu vergraben?
    »Ihr solltet ruhig mutig sein, Messer Minucci. Was Ihr mir anvertraut habt, gefällt mir. Und ich will gerne versprechen, meinen alten Freund Barna ganz in Eurem Sinn zu bestärken. Denn was ich da vorhin an der Wand in seiner Entstehung gesehen habe, verspricht ein ganz

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