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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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heiß wie Pech und glühend wie …« Strozzi ließ eine müde, wenig überzeugende Geste folgen, als seien ihm schon jetzt die Argumente ausgegangen.
    »Was maßt du dir an, Elender? Gott allein legt mir die rechten Worte in den Mund. Kein Mensch darf es wagen, mich zu beeinflussen. Auch keiner, der sich Ratsherr nennt.« Der kleine Prediger stand jetzt sehr aufrecht. Seine dunklen Augen glühten.
    »Ihr habt uns missverstanden, padre «, rief Strozzi, »gründlich missverstanden! Nichts läge uns ferner, als Euch in unserem Sinn lenken zu wollen. Natürlich werdet und müsst Ihr weiterhin predigen, was der Heilige Geist Euch eingibt. Doch wir sind bereit, Euch auf diesem schwierigen Weg mit all unseren Kräften zu unterstützen.«
    »Gilt das auch für meine kleinen Engel?« Bernardo versetzte dem Jungen einen kräftigen Stoß zwischen die Schulterblätter. Angstvoll sah der Taube zu ihm auf.
    »Welche Engel?«
    »Er meint diejenigen, die mit ihm ziehen, Kinder und Heranwachsende, eine ganze Schar«, ergriff nun erstmals ein anderer das Wort. »Wie ein Schwarm hungriger Heuschrecken sind sie gestern über den Markt hergefallen. Manche Händlerinnen haben vor Schreck Reißaus genommen.«
    »Sie müssen essen und brauchen ein Dach über dem Kopf«, sagte der Prediger. »Sie sind nicht wie die Vögel des Himmels, die ein buntes Gefieder schützt und wärmt, sondern bedürfen der Kleidung. Das alles kostet Geld.«
    Strozzi hatte seinen Platz eilig verlassen und hielt ihm nun zwei prall gefüllte Beutel hin.
    »Wäre das eventuell für den Anfang ausreichend?«
    Der Prediger ließ seinen Blick zu den wohlbestellten Äckern der »Guten Regierung« wandern, auf denen brave Bauern ihrem Tagewerk nachgingen, Falkner jagten und sich gleich nebenan innerhalb der Mauern das geregelte Leben von Kaufleuten und Handwerkern abspielte. Danach betrachtete er nicht weniger eingehend den dämonischen Regenten der »Schlechten Regierung«, der auf einem Thron hockte und zu seinen Füßen die Gerechtigkeit gefangen hielt.
    »Für den Anfang – eventuell.« Scheinbar unbeeindruckt reichte er die Beutel an den Jungen weiter. »Doch der kleinen Engel werden es mehr von Tag zu Tag, und sie alle sind sehr, sehr hungrig.«
    »Macht Euch deswegen keine Sorgen, padre !«, rief Strozzi. »Der Rat von Siena wird es Euch an nichts fehlen lassen, ebenso wenig wie Euren kleinen Schützlingen. Ihr lasst uns einfach wissen, wenn Ihr weitere Mittel braucht. Dann wird die Angelegenheit schnell und diskret erledigt. Darauf habt Ihr unser Wort!«
    Bernardos Gesicht verfinsterte sich, als habe der andere etwas Falsches gesagt. Schließlich entspannten sich die herben Züge wieder.
    »Ich werde nachdenken«, murmelte er. »Lange und gründlich nachdenken.« Er packte den Jungen am Arm und zog ihn zur Türe.
    »Aber Eure Antwort, padre !«, rief Strozzi. »Ihr habt uns ja noch gar nicht Euer Einverständnis …«
    »Meine Antwort?« Der Prediger drehte sich um, wirkte plötzlich stark und gesammelt. »Keine Angst, ihr werdet sie rechtzeitig zu hören bekommen – auf den Plätzen und Straßen eurer Stadt.«
    Damit ließ er sie, um vieles zufriedener als noch bei seiner Ankunft, allein. Er hatte Schlimmeres befürchtet. Diese Aussichten, die sie ihm gerade eröffnet hatten, waren alles andere als übel. Fürs Erste würde Ruhe herrschen, das konnte ihm nur recht sein. Dazu kam, dass die Engel zu essen hatten. Und, das Beste von allem, ihm war das Kunststück gelungen, sich nicht vorzeitig festzulegen.
    Denn schließlich steckte in seiner Kutte ja noch das Angebot der Salimbeni, das ebenfalls einer eingehenden Prüfung bedurfte.

    ❦

    Die Mahlzeiten gerieten Gemma von Tag zu Tag mehr zur Qual, denn Lavinia gab sich alle Mühe, Streit anzuzetteln. Nichts schien ihr zu passen, weder das Essen, das aufgetragen wurde, noch die Art, wie es serviert wurde. Eine Magd war schon weinend fortgelaufen, weil sie das ständige Genörgel nicht mehr ertrug, und die neue, die nach eifrigem Suchen ihre Nachfolgerin geworden war, schien schon nach wenigen Tagen nah daran, es ihr nachzumachen.
    Bartolo tat lange, als würde er nichts davon bemerken, und plauderte tapfer weiter, während Gemma den Kopf gesenkt hielt und hoffte, dass sie nicht im nächsten Moment die Kontrolle verlieren würde. Mario aß alles, was man ihm vorsetzte, bis zum letzten Krümel auf, sichtlich entzückt von den unbekannten Genüssen, die sein schmales Gesicht allmählich voller werden ließen und

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