Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
über ihre Haut.
    »Das tue ich«, gab sie ebenso leise zurück.
    »Egal, was immer auch geschieht?« Matteo spürte, wie Gemma innerlich zögerte, und war erleichtert, als sie schließlich nickte. »Dann wirst du sehr bald von mir hören!«
    Er ließ sie so plötzlich los, dass sie taumelte, warf ihr noch eine Kusshand zu und war um die nächste Biegung verschwunden.
    Sie starrte ihm noch hinterher, als schon lange nichts mehr von ihm zu sehen war. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht und wäre auf der Stelle zurück zu Mamma Lina gelaufen, um sich mit ihr zu versöhnen. Aber sie wusste, dass sie zunächst etwas anderes tun musste.
    Ratlos schaute sie an sich hinunter. In dem angeschmutzten, zerrissenen Kleid hatte sie große Ähnlichkeit mit einer Bettlerin, was Lavinia und Nonna Vanozza gewiss zu neuen Sticheleien Anlass geben würde – aber was machte das schon aus? Schließlich war und blieb es das Haus ihres Vaters, in das sie jetzt zurückkehrte.
    Die Beine trugen sie sicher und schnell, aber als sie vor dem Haus mit den schönen Fenstern und den breiten Simsen stand, pochte ihr Herz heftig vor Aufregung. Der Klopfer schlug hart gegen das Holz, dann hörte sie schnelle Schritte.
    Als die Tür aufging, schaute sie in Marios ernstes Gesicht.
    »Du?« Sein Mund verzog sich zu einem zunächst ungläubigen, dann aber fröhlichen Grinsen. »Wie er sich freuen wird, der liebe zio Bartolo!«
    Gemma folgte ihm, noch immer leicht beklommen. Die ganze Familie hatte sich um den Tisch versammelt; auch Luca fehlte nicht. Sie verzehrten gerade Hühner, die unter einer dicken Salzkruste gegart worden waren, und die Gerüche von Fett, Geflügel und Wein erfüllten den Raum.
    Luca fiel sein Hühnerbein schier aus der Hand. »Monna Gemma!«, rief er. »Dass Ihr nur wieder da seid!«
    Gemmas Blick flog zu Lavinia, die den Mund zusammenkniff und sich dann weiterhin hingebungsvoll ihrem Geflügel widmete, als sei nichts geschehen. Mario ließ Gemma nicht einen Augenblick aus den Augen, sondern nickte ihr immer wieder aufmunternd zu, als habe er Angst, sie könne es sich doch noch anders überlegen.
    Dann sah sie ihren Vater an.
    »Willkommen zu Hause, mein Mädchen!«, sagte Bartolo. »Ich dachte eigentlich, du würdest …« Er legte seine Stirn in Falten, ganz ähnlich, wie es die kleine Angelina zuvor an Mamma Linas Tisch getan hatte, und räusperte sich ausgiebig. Seine Hände nahmen ihr nervöses Spiel wieder auf. »Nun ja, mit dem Wiederkommen hast du dir reichlich Zeit gelassen. Aber nun bist du ja gottlob endlich wieder da.«
    »Es tut mir leid …« Gemma verstummte. Nicht schon wieder dieser Satz! Aber was sonst sollte sie jetzt sagen? Dass er sie an ein kleines Waisenkind erinnerte, das sehr traurig war?
    »Hast du Hunger?« Lucias helle Kinderstimme klang fröhlich. »Das Huhn schmeckt köstlich!«
    Gemma musste an Mauro denken, an die bedrückten Kinder, an Linas hartes weißes Gesicht und schüttelte den Kopf.
    »Macht auch nichts!«, rief Teresa. »Dann bleibt mehr für uns übrig.«
    »Setz dich zu uns, Kind!«, ließ sich nun Nonna Vanozza vernehmen. »Was stehst du denn so förmlich herum wie eine Fremde? Das muss doch wirklich nicht sein! Obwohl du schrecklich aussiehst, Gemma, das muss ich schon sagen. So durch die Stadt zu laufen! An deine Familie denkst du wohl nicht. Du solltest wahrlich besser auf dich achten! Gibt es dort, wo du herkommst, weder Wasser noch Seife?«
    Jetzt musste Gemma trotz allem lächeln.
    Sie war wieder zu Hause, und nichts, aber auch gar nichts hatte sich verändert.

    ❦

    Er musste lange an die kleine Nebenpforte klopfen, bevor Celestina ihm öffnete, doch er war entschlossen zu warten, und wenn es die ganze Nacht dauern würde. Matteo verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. Seine Gerätschaften hatte er fest in Leinen gewickelt und unter mehreren Tüchern in einem Korb verborgen. Doch viel mehr als dieser wog die bedrückende Last dessen, was vor ihm lag.
    »Was willst du?« Die Öllampe in Celestinas Hand bewegte sich. An ihrem Gürtel klirrten die Schlüssel. Wenn sie überrascht war, ihn zu sehen, so ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Lass mich eintreten, dann wirst du es erfahren!«
    Zu seinem Erstaunen gehorchte sie wortlos. Der Gang,
    in dem sie beide standen, war schmaler, als er ihn in Erinnerung hatte, aber ebenso dunkel.
    »Du kommst spät am Abend, Matteo«, sagte sie. »Aber doch sicherlich nicht meinetwegen? Oder …«
    Er ließ sie nicht ausreden. »Du

Weitere Kostenlose Bücher