Die Sünderin von Siena
Aufregung einfach zu viel. In ihrer Fantasie spinnt sie sich das alles zusammen.« Sie zog die Kleine auf ihren Schoß, befühlte ihre Stirn. »Und ganz heiß ist sie auch. Wir müssen noch viel besser auf sie aufpassen. Sie darf ihren Kopf nicht zu sehr anstrengen, wie oft hab ich euch das schon gesagt! Nicht, dass sie mir jetzt auch noch krank wird!«
»Cata ist nicht dumm«, widersprach Lelio. »Sie ist nur anders. Aber sie sieht viele Dinge. Das weiß ich ganz genau.«
»Lelio hat recht«, sagte Gemma. »Wir sollten Cata noch einmal fragen, ob sie …«
»Ihr geht jetzt alle ins Bett!«, fiel Lina ihr ins Wort. »Und zwar ohne Widerrede, verstanden? Es war ein langer, anstrengender Tag – für uns alle. Ich komme später noch zum Beten hinauf. Mia und Lelio, ihr kümmert euch um die Kleinen. Und jetzt will ich nichts mehr hören!«
Leise murrend, aber gehorsam zogen die Kinder ab. Jetzt saßen nur noch die beiden Frauen am Tisch. Stille senkte sich über den Raum, eine lastende, unerträgliche Stille, die das Atmen schwer machte.
»Weshalb hast du mich eben zum Schweigen gebracht?«, sagte Gemma schließlich. »Ich wollte doch nur …«
»Ist denn nicht schon mehr als genug passiert?« Auf Linas sonst so blassem Gesicht brannten rote Flecken. »Ich wünsche mir so sehr, dass wir alle endlich zur Ruhe kommen.«
»Genau deswegen sollten wir Catas Beobachtung ernst nehmen. Wenn sie wirklich einen Mann gesehen hat, könnte das doch ein erster Anhaltspunkt sein.«
»Wofür?«
»Das fragst du noch? Mauro ist quicklebendig ins Bett gegangen – und am anderen Morgen war er tot! Und wenn er nicht auf natürliche Weise gestorben ist? Dieser Gedanke lässt mich schon seit Stunden nicht mehr los!«
»Mauro hat noch gelebt, als er ihn gefunden hat«, sagte Lina dumpf. »Das hat dein Liebhaber dir doch bestimmt erzählt.«
»Du willst doch damit nicht etwa andeuten, dass Matteo etwas mit Mauros Tod zu haben könnte!« Gemma sprang auf, so erregt war sie. »Du weißt doch, dass er …«
»Gar nichts weiß ich!«, rief Lina. »Nur, dass ich dich herzlich und in aller Freundschaft gebeten hatte, nicht mehr zu ihm zu gehen, um den Ruf dieses Hauses zu schützen. Und was hast du getan? Die nächstbeste Gelegenheit ergriffen, um dich erneut zu ihm zu schleichen – das weiß ich!«
»Es tut mir unendlich leid, Lina«, sagte Gemma. »Das musst du mir glauben! Aber wie hätte ich denn ahnen können, was passieren würde? Könnte ich alles wieder rückgängig machen, ich würde es auf der Stelle tun.«
»Davon wird Mauro auch nicht wieder lebendig.« Lina begann zu weinen. »Mein süßer Kleiner – liegt jetzt mutterseelenallein im Eiskeller des Hospitals. Und mir wollen sie die Schuld an seinem Tod anlasten. Fragen über Fragen haben sie gestellt. Bis ich kaum mehr ein noch aus wusste. Aber ich lasse mich nicht in die Ecke treiben – weder von einem dieser Männer noch von ihnen allen zusammen!«
Gemma ging auf sie zu, um sie zu trösten, doch Lina wich zur Seite, bevor sie sie berühren konnte.
»Das haben sie getan?«, fragte Gemma erschrocken. »Dich beschuldigt? Aber wie kommen sie nur auf diesen verrückten Einfall? Ausgerechnet dich, wo du doch die Kinder wie deine eigenen liebst!«
»Und du sollst dich auch nicht in Sicherheit wiegen«, sagte Lina mit seltsamem Unterton. »Von dir war auch schon die Rede. Deine Freundin Celestina hat nichts ausgelassen, um dich in ein merkwürdiges Licht zu stellen. Könnte es sein, dass sie davon weiß, was du mit diesem Maler treibst?«
Ihre Augen funkelten angriffslustig; das Gesicht war hart und schmal geworden. Sogar die Stimme klang plötzlich anders. Gemma kam es vor, als stehe eine Fremde vor ihr. Und vielleicht verhielt es sich ja tatsächlich so. Was wusste sie eigentlich von dieser Frau? Bislang hatte Lina es stets verstanden, jeder Nachfrage geschickt auszuweichen.
»Ich möchte nicht, dass du so über ihn sprichst.« Gemma dachte an das, was Caterina am Morgen gesagt hatte, und nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Ich ver biete es dir sogar. Matteo ist ein wunderbarer Mann, und was uns beide verbindet, ist viel mehr als …«
»Dann geh doch ganz zu ihm!«, schrie Lina. »Und vollzieh deinen dreisten Ehebruch vor den Augen der gesamten Stadt. Oder bist du dazu zu feige? Ich jedenfalls hab keine Lust, länger den Ruf meines Hauses aufs Spiel zu setzen, nur weil du glaubst, dich wie eine läufige Hündin aufführen zu müssen.«
»Das nimmst du zurück!« Gemmas
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