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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Gott sein. Und wie ein solcher mochte er damals, als sie noch nicht wieder richtig bei Bewusstsein war, häufig neben ihrem Bett gestanden haben.
    Der Allmächtige, der an ihr – im wahrsten Sinne des Wortes– ein Wunder vollbracht und ihren zertrümmerten Schädel wieder zu einem funktionierenden Kopf zusammengeflickt hatte. Wie oft mochte er sich über sie gebeugt, mit einem Lämpchen die reglosen Augenlider angeleuchtet und zu ihr gesprochen haben. «Mein Sohn hatte keine Schuld an diesem Desaster.» Vielleicht hatte er sich verpflichtet gefühlt, ihr das mit auf den Weg in die Ewigkeit zu geben. Dass er sie tatsächlich durchbrachte, damit konnte er nicht gerechnet haben.
    Helene Brauning hatte gesagt: «Man weiß bei bewusstlosen und komatösen Patienten nie genau, was sie noch registrieren.»
    Und Cora Bender hatte gefragt: «Ich tu Ihnen wirklich gerne einen Gefallen. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Was soll ich ihm denn sagen? Mein Gott, verstehen Sie nicht? Er war so gut zu mir. Und ich habe seinen einzigen Sohn getötet. Frankie hatte mir doch nichts getan.»
    Das war vor zwei Tagen gewesen. Professor Burthe hatte nicht sehr erbaut auf seinen Besuch in der Klinik reagiert. Zuerst hatten sie ein langes Gespräch unter vier Augen geführt, der Sachverständige und der Polizist ohne Abitur.
    Die Fakten auf den Tisch, obwohl es genau genommen wieder nur ein paar Worte waren. Aber es war eine exakte Personenbeschreibung. Das konnte er bezeugen. Und sogar Professor Burthe musste einräumen, dass sie nicht allein Cora Benders Phantasie entsprungen sein konnte. Er hatte ihm erlaubt, kurz mit ihr zu sprechen.
    Er sah es noch vor sich, wie sie zusammenzuckte, als er hereinkam. Wie sie auf seinen Hals starrte und zu zittern begann. Beruhigt hatte sie sich erst, als er ihr zum zweiten Mal erklärte, warum er gekommen war. «Ich möchte in den nächsten Tagen einen Ausflug mit Ihnen machen, Frau Bender. Nur wir beide. Wir fahren nach Frankfurt.»
    Vor zwei Tagen hatte sie verstanden. Und als er sie abgeholthatte vor gut einer halben Stunde   … Sie starrte geradeaus auf die Fahrbahn. Er versuchte es noch einmal. «Also, Frau Bender, wie ich schon sagte. Sie müssen nicht mit Herrn Frankenberg reden. Sie schauen ihn nur kurz an. Dann gehen wir hinaus. Und dann sagen Sie mir, ob   …»
    Endlich reagierte sie, warf ihm einen gequälten Blick zu. «Können wir nicht über was anderes reden? Ich tue es ja. Ich schaue ihn mir an, wenn wir da sind. Aber bis wir da sind. Es muss doch nicht sein.»
    Sie sprach schleppend. Er war ziemlich sicher, dass man ihr in der Klinik Medikamente gegeben hatte, bevor man sie ihm überließ. Er hoffte nur, dass sie nicht einschlief. Und Reden war eine gute Methode, wach zu bleiben. Das Thema musste nicht unbedingt Frankenberg sein. «Worüber möchten Sie denn sprechen?»
    «Ich weiß nicht. Ich habe ein Gefühl wie Wasser im Kopf, ein ganzer Eimer voll.»
    «Dagegen weiß ich ein gutes Mittel.»
    Sie hatten Zeit. Vor dreizehn Uhr brauchten sie nicht am Ziel zu sein. Um dreizehn Uhr konnte Johannes Frankenberg ein paar Minuten erübrigen. Rudolf Grovian hatte den Besuch angekündigt, allerdings nicht erwähnt, dass er in Begleitung kam. Es war nicht einmal zehn. Eine Kaffeepause tat ihr bestimmt gut.
    Wenig später steuerte er eine Raststätte an. Dann saß er mit ihr an einem Fenstertisch. Sie kippte Zucker aus einem Spender in ihre Tasse, bis er ihr die Hand festhielt. «Jetzt dürfen Sie aber nicht mehr umrühren. Sonst können Sie den Kaffee nicht trinken. Sie trinken ihn doch ohne Zucker, oder irre ich mich?»
    Sie schüttelte den Kopf und schaute zum Fenster hinaus. Im Profil wirkte ihr Gesicht noch blasser. «Ich möchte Sie gerne etwas fragen.»
    «Nur zu», forderte er.
    Sie atmete tief durch, trank einen Schluck Kaffee. «Das Mädchen», begann sie zögernd. «Sie haben mir doch von dem toten Mädchen erzählt, das man bei einem Truppenübungsplatz gefunden hat. Wissen Sie, was man mit dem Mädchen gemacht hat?»
    «Begraben», sagte er.
    «Das dachte ich mir. Wissen Sie wo?»
    «Nein. Aber das kann ich herausfinden, wenn es Sie interessiert.»
    «Es interessiert mich sehr. Wenn Sie es rausfinden und mir sagen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.»
    Er nickte nur, vermutete in diesem Moment alle möglichen Beweggründe. Nur der Grund, der sie wirklich antrieb, blieb ihm verborgen. Eberhard Brauning hatte zwar nicht begriffen, von welchem Schein und welcher fremden

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