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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auf. «Da sind Sie aber spät dran, für die Antworten habe ich meine Punkte schon bekommen. Oder wollen Sie nur feststellen, ob ich meine Sinne noch beisammen habe? Keine Sorge, ich hab sie noch alle. Mir fällt auf, dass man mir dieselben Fragen zum dritten Mal stellt. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Fragen Sie zur Abwechslung mal Ihren Kollegen. Das hat der alles schon aufgeschrieben. Außerdem hat der da meine Papiere.»
    Es tat ihr Leid, dass sie Berrenrath so abwertend mit «der da» bezeichnet hatte. Das hatte er nicht verdient. Er war wirklich sehr nett gewesen bisher. Und es wäre sicher auch ratsamer gewesen, sich höflich und bereitwillig zu zeigen. Aber bereitwillig war sie ja, nur mussten sie sich ein bisschen beeilen. Wenn es in dem Tempo weiterging – das stand sie nicht mehr lange durch.
    Niemand reagierte auf ihre Frechheit. Nur der junge Polizist runzelte kurz die Stirn. Berrenrath kam mit ihrer Brieftasche zum Schreibtisch. Der Mann im Sportanzug griff danach. Ihr wurde bewusst, dass sie sich seinen Namen nicht hatte merken können, auch den des Chefs nicht. Sie versuchte, sich zu erinnern, aber jeder Gedanke verfing sich im Gesicht des Toten. Und sie mochte nicht sagen: «Entschuldi gen Sie, ich war eben nicht ganz bei der Sache und habe Ihre Namen nicht verstanden.» Sie hätten sie doch auf der Stelle für verwirrt gehalten.
    Die beiden uniformierten Polizisten verließen den Raum. Es wäre ihr lieb gewesen, Berrenrath wäre geblieben, er war ein so verständnisvoller Mensch. Darum bitten mochte sie nicht. Es sollte nicht so aussehen, als ob sie Beistand brauchte. Der Mann im Sportanzug klappte die Brieftasche auf, nahm den Personalausweis heraus und reichte ihn demChef. Dann betrachtete er ihren Führerschein, stutzte und hob den Blick.
    Er war über das Gesicht gestolpert, da war sie sicher. Das kranke, graue Gesicht im Führerschein, das aussah, als gehöre es einer alten Frau. Für einen Moment befürchtete sie, dass er sie darauf ansprechen würde. Er schwieg. Und sie zupfte rasch die Haare über der Stirn zurecht, damit er nicht auf die Narbe aufmerksam wurde. Der Chef hatte währenddessen die Daten auf ihrem Personalausweis studiert, hob ebenfalls den Kopf und schaute sie an. «Cora Bender», sagte er. «Cora, das klingt wie eine Kurzform. Oder ist Cora Ihr voller Name?»
    Er hatte eine angenehm warme und dunkle Stimme, die gewiss auf manch einen beruhigend wirkte. Bei ihr stellte sich diese Wirkung jedoch nicht ein. Sie bekam die Hände nicht unter Kontrolle. Das Zittern hatte sich verstärkt. Sie schloss die rechte Hand um die linke im Schoß und hielt sie dort ganz fest.
    «Hören Sie», sagte sie. «Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich finde, es ist schon spät. Deshalb sollten wir uns das Geplänkel sparen.»
    Der Chef lächelte. «Wir haben viel Zeit. Und ich finde ein bisschen Geplänkel entspannend. Wie fühlen Sie sich, Frau Bender?»
    «Sehr gut, vielen Dank.»
    «Sie sind verletzt.» Er zeigte auf ihr Gesicht. «Wir sollten zuerst einen Arzt für Sie rufen.»
    «Bleiben Sie mir bloß mit den Weißkitteln vom Leib!» fauchte sie. «Das hat sich ein Sanitäter angeschaut, es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Ich habe schon Schlimmeres erlebt.»
    «Was denn?», fragte der Chef.
    «Ich wüsste nicht, was Sie das angeht», erwiderte sie.
    «Na schön, Frau Bender», sagte er ruhig, aber sehr bestimmt,«wenn Sie es unbedingt so haben wollen, ich kann auch anders. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Schmerzen haben oder sich sonst irgendwie beeinträchtigt fühlen. Sie dürfen sich auch melden, wenn Sie einen Kaffee trinken oder etwas essen möchten. Aber sagen Sie vorher bitte. Es klingt dann besser.»
    Sie hatte ihn verärgert, bewegte unbehaglich die Schultern, verdrehte die Augen, zumindest das linke, das nicht zugeschwollen war. «Hören Sie: Es tut mir Leid, wenn ich ein bisschen laut geworden bin. Ich will Ihnen keinen Ärger machen. Ich bin nur etwas nervös und möchte es gerne hinter mich bringen. Warum muss ich denn dreimal sagen, wie mein Mann heißt? Das tut doch überhaupt nichts zur Sache. Nehmen Sie mein Geständnis auf, lassen Sie mich unterschreiben, danach können wir dann gerne einen Kaffee trinken.»
    Als der Chef kurz nickte, stellte der Mann im Sportanzug einen kleinen schwarzen Kasten auf den Schreibtisch. Sie zuckte zusammen, als sie erkannte, dass es sich um ein Kassettengerät handelte. Der Mann drückte auf eine Taste. Bevor sie es

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