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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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den Becher ein zweites Mal mit Wasser füllte. «Die hatten es bitter nötig», sagte sie, als sie sich zurück auf den Stuhl setzte.
    Eine volle Minute lang war es still. Sie bemühte sich, die Gedanken beisammenzuhalten und sich auf das einzustellen, was als Nächstes kam. Das Verhör! Wie so etwas ablief, wusste sie aus Filmen. Im Grunde ging es nur um ein Geständnis. Das war für die Polizei das Wichtigste. Demnach war ein Verhör in ihrem Fall überflüssig, ein Geständnis hatte sie bereits abgelegt, es musste nur noch zu Papier gebracht und unterschrieben werden. Komisch, dass sich niemand darum kümmerte. Sie wandte sich erneut an Berrenrath. «Worauf warten wir eigentlich?»
    «Auf die zuständigen Beamten», sagte er.
    «Sind Sie nicht zuständig?»
    «Nein.»
    Sie lächelte ihn an. Es sollte ein bezauberndes Lächeln werden, doch mit dem zerschlagenen Gesicht wurde es nur schief. «Hören Sie: Das ist doch Blödsinn. Polizist ist Polizist. Es wäre mir lieb, wenn wir das erledigen könnten. Schreiben Sie mal auf, was ich gesagt habe. Ich unterschreibe es, dann können Sie Feierabend machen.»
    «Warten wir lieber auf die zuständigen Beamten», sagte Berrenrath. «Sie müssen jeden Augenblick kommen.»
    Natürlich kamen sie nicht. Sie hatte es oft in Filmen gesehen, dass sie einen Verdächtigen schmoren ließen, damit er ihnen keinen Widerstand entgegensetzte. Nur verstand sie nicht, warum diese Maßnahme bei ihr angewandt wurde.Zum einen war sie nicht nur verdächtig, sie war eindeutig schuldig. Zum anderen hatte sie nicht vor, Schwierigkeiten zu machen.
    Die Warterei machte sie nur nervös. Sie musste wieder an Gereon denken. Dass er sich auf der Seeterrasse benommen hatte, als sei sie eine Wildfremde, die ihn nicht das Geringste anging. Aber das verstand sie. Für Gereon musste es ein ungeheurer Schock gewesen sein. Man musste sich nur einmal in seine Lage versetzen. Er hatte ja gar nicht an den See fahren wollen. Es sei viel zu heiß, hatte er beim Mittagessen gesagt, als sie den Vorschlag machte. Er ging auch nicht gerne ins Wasser. Und dann hatte sie ihm da in ein paar Sekunden seine Welt in Streifen geschnitten. Kein Wunder, dass er anschließend auf sie eindrosch wie ein Wilder. Ob er schon daheim war? Was mochte er seinen Eltern erzählt haben. Sie mussten erstaunt gewesen sein, dass er nur mit dem Kind zurückkam.
    Sie sah das vor sich. Die fragenden Mienen. «Wo ist denn Cora?» Die Stimme der Schwiegermutter. Der Alte sprach nicht viel, wenn es um familiäre Belange ging. Und Gereon, blass, mit dem weißen Verband und dem Kind auf dem unverletzten Arm, bat zuerst, dass ihm jemand half, den Kofferraum auszuräumen. Seine Mutter ging mit ihm hinaus. Draußen, wo der Alte ihn nicht hörte, sagte Gereon: «Sie hat einen Mann erstochen.»
    Und später würden sie zusammen im Wohnzimmer sitzen. Gereon berichtete der Reihe nach, obwohl es nicht viel zu berichten gab. Seine Mutter jammerte, was die Nachbarn sagen mochten, wenn sie es erfuhren. Sein Vater fragte nur, wie sich das aufs Geschäft auswirkte und wer denn jetzt den Papierkram erledigte.
     
    Es ging auf neun zu, als endlich die Tür geöffnet wurde. Die Vorstellung von Gereon und seinen Eltern riss ab. Der Mannim Sportanzug, der ihr auf der Seeterrasse aufgefallen war, betrat den Raum. Er nannte ihr seinen Namen. Sie vergaß ihn gleich wieder und versuchte, den Mann einzuschätzen. Hoffentlich hielt er sich nicht mit unnötigen Fragen auf.
    Genau das tat er! Er setzte sich an die Schreibmaschine und forderte sie auf, ihren Namen zu nennen, auch den Geburtsnamen. Als ob es Zweifel an ihrer Identität gegeben hätte. Er wollte wissen, wie alt sie sei, seit wann verheiratet, berufstätig ja oder nein. Alles Dinge, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun hatten. Dann verlangte er auch noch Auskünfte über ihre Schwiegereltern, Eltern und Geschwister.
    Bis zu den Schwiegereltern antwortete sie ihm widerstrebend, aber wahrheitsgemäß. Dann sagte sie: «Meine Eltern sind tot, Geschwister hatte ich nie!»
    Und er betrachtete die Pflanzen auf dem Schreibtisch, erkundigte sich, ob sie Pflanzen mochte, fragte übergangslos, ob sie Schmerzen habe, einen Arzt brauche oder einen Kaffee trinken wolle. Sie warf der alten Maschine einen raschen Blick zu und verneinte.
    Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren und ruhig zu bleiben. Wider Erwarten schien es doch eine längere Angelegenheit zu werden. Der Mann im Sportanzug erklärte, welches Verbrechen

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