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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihr zur Last gelegt wurde, als ob sie das nicht gewusst hätte. Er nannte ein paar Paragraphen, sprach anschließend von ihren Rechten, wiederholte, was Berrenrath am See bereits gesagt hatte. Dass sie keine Aussage machen müsse und so weiter.
    An der Stelle unterbrach sie ihn. «Vielen Dank, ich habe es Herrn Berrenrath schon erklärt, das ist nicht nötig. Ich brauche keinen Anwalt. Sie schreiben am besten mal mit. Wir können gleich anfangen.»
    Das konnten sie nicht. Der Mann im Sportanzug sagte, sie müssten auf den Chef warten. Aber er sei bereits im Haus.
    Noch einmal verging mehr als eine Viertelstunde. Es machte sie ganz elend, nichts weiter tun zu können, als auf dem Stuhl zu sitzen und die hellgestrichenen Wände zu betrachten. Sie war es nicht gewohnt, untätig zu sein, dabei geriet man nur ins Grübeln. Wie mittags im Supermarkt, als sie gedacht hatte, sie hätte die Lösung gefunden.
    Irgendwie war es doch Wahnsinn. Den eigenen Tod so fest beschlossen, dass es daran nichts mehr zu rütteln gab. Und sich dann plötzlich auf einen Mann gestürzt. Nur weil die weißblonde Frau – der Name fiel ihr im Augenblick nicht ein – das Lied spielte. Sie hätte besser gefragt, wo die Frau es herhatte. Und ob ihr jemand erklären könne, wie es in ihren Kopf gekommen sei.
    Niemand sprach. Das einzige Geräusch war das Tropfen des Wasserhahns. Sie hatte ihn nicht fest genug zugedreht, als sie den Becher zum zweiten Mal füllte. Die Männer kümmerten sich nicht darum. Berrenrath behielt die Tür im Auge. Sein junger Kollege stand da mit auf den Rücken gelegten Händen. Der Mann im Sportanzug blätterte in den Notizen, die er sich auf der Seeterrasse gemacht hatte.
    Was mochten ihm die Zeugen erzählt haben? Sie sei über den Mann hergefallen wie eine Verrückte! So musste es ausgesehen haben für die Leute. Plötzlich begriff sie, warum sie sich so viel Zeit mit ihr ließen. Weil sie es nicht verstanden, weil sie wie Gereon wissen wollten, warum.
    Mit dieser Erkenntnis verwandelte sich ihr Herz in einen bleigefüllten Klumpen. Das Hirn füllte sich mit grauroten Schwaden. Sie spürte, dass ihr die Hände feucht wurden und zu zittern begannen. Keine Spur mehr von der anfänglichen Erleichterung, dem Jubel und dem Triumph. Sie brauchte eine vernünftige Erklärung.
    Als die Tür endlich aufging, begann sie im Geist zu zählen – achtzehn, neunzehn, zwanzig – und hoffte, davon etwas ruhiger zu werden. Der Mann, der hereinkam, mochte Anfangfünfzig sein. Er machte einen behäbigen und gutmütigen Eindruck, grüßte kurz und allgemein, nickte den beiden Polizisten zu. Berrenrath nickte zurück und dabei irgendwie komisch in ihre Richtung. Der Mann im Sportanzug erhob sich, und zusammen mit Berrenrath gingen sie beide wieder hinaus.
    Noch einmal warten, sich fragen, was die drei vor der Tür zu bereden, was das komische Nicken zu bedeuten hatte. Wenn wenigstens der jüngere Polizist gesprochen hätte. Die Stille war unerträglich, denn sie war nur außen. Es war fast wie sonst an einem Samstagabend. In ihrem Kopf war es nicht still. Da dröhnte das Lied. Der tropfende Wasserhahn klang fast wie das Schlagzeug. Nach dem Lied kam immer der Traum. Und jetzt schlief sie nicht! Wenn die Männer nicht bald zurückkamen   …
    Es dauerte nur zehn Minuten. Doch das waren sechshundert Sekunden; und jede Sekunde war ein neuer Gedanke. Und jeder neue Gedanke nagte an ihrem Verstand. Was sie am meisten beunruhigte, waren die Empfindungen, die das Töten in ihr ausgelöst hatte. Jeder normale Mensch musste entsetzt sein, verzweifelt und von Schuldgefühlen geplagt, wenn er so etwas getan hatte. Und sie hatte sich gut gefühlt. Normal war das nicht.
    Endlich kamen sie zurück. Der Mann im Sportanzug setzte sich wieder hinter die Schreibmaschine. Berrenrath stellte sich erneut neben das Fenster. Der Chef setzte sich ihr gegenüber. Er lächelte sie freundlich an und nannte seinen Namen. Den verstand sie ebenso wenig wie das, was er sonst noch sagte. Alles im Innern spannte sich an. Knappe, präzise Antworten. Und eine nachvollziehbare Begründung, damit erst gar nicht der Verdacht aufkam, sie sei verrückt.
    Berrenrath hielt etwas in der Hand, ihre Brieftasche. Wo er sie so plötzlich hergenommen hatte, wusste sie nicht. Sie hatte nicht darauf geachtet. Die gesamte Prozedur wurdenoch einmal wiederholt. Name, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand, Beruf, Eltern, Geschwister.
    «Machen wir hier ein Quiz?» fuhr sie

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