Die Sünderinnen (German Edition)
teuren Gemälde aus dem Wohnzimmer. Woher jedoch sollte er von den Bildern wissen?
»Hinlegen«, unterbrach der Mann ihre Überlegung.
Verwirrt schaute sie sich um. Der schwache Lichtschein aus ihrem Wagen erhellte nur ihre unmittelbare Umgebung. Der Maskierte deutete mit einer Hand auf den Boden. Widerwillig ging sie in die Hocke. Auf einen weiteren Befehl hin, legte sie sich mit dem Rücken auf die Fliesen. Fast augenblicklich drang die Kälte durch ihren Sportanzug. Sie zitterte. Vielleicht auch, weil sie sich jetzt noch wehrloser fühlte. Sie wollte reden, gegen die bohrende Angst anreden, aber ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. Als der Mann sich kurz zur Seite drehte, um in einem Rucksack herumzusuchen, geriet sie in Versuchung, einfach aufzuspringen und ins Haus zu laufen. Aber er wandte sich sehr schnell wieder zu ihr um, und sie verwarf jeden Fluchtgedanken. Besser sie verhielt sich kooperativ. Sie war gewillt, ihm alles zu geben, den Schmuck, das Geld, notfalls ihren nicht mehr ganz straffen Körper, wenn er sie nur am Leben ließ. Immerhin ließ die Maskerade sie hoffen, dass er später von ihr nicht erkannt werden wollte. Warum jedoch ging er nicht mit ihr ins Haus?
»Schließen Sie die Augen«, befahl er.
Sie kniff die Augen so fest zusammen, wie sie es in ihrem Leben noch nie getan hatte. Dabei stellte sie sich vor, alles sei nur ein böser Traum, aus dem sie jeden Moment aufwachen würde.
»Der Prozess der Sühne kann beginnen«, erklärte der Mann plötzlich.
Fast automatisch schlug sie die Augen auf. Der Mann musste verrückt sein. In einer großen Gummischürze stand er unmittelbar vor ihr. Inzwischen hatten sich ihre Augen an das schwache Licht gewöhnt und sie nahm zum ersten Mal sein formloses Gesicht richtig wahr. Der schwarze Strumpf über seinem Kopf ließ nur die Augenpartie frei. Sie erschauerte. In ihnen glaubte sie so etwas wie Wahnsinn zu erkennen. Unerbittlich starrte er sie an.
»Ausziehen«, forderte er sie auf und fuhr mit einem spitzen Gegenstand an ihrem Bauch entlang.
Ein Dolch, dachte sie. Gleichzeitig mit der Panik spürte sie nun den Schmerz. Während sie den Oberkörper etwas anhob, zog sie mit zitternden Fingern an dem Reißverschluss ihrer Trainingsjacke. Sie hatte ihn noch nicht einmal bis unten aufgezogen, als er den Dolch auf ihrer Brust aufsetzte. Eva Maria gab dem Druck nach und ließ ihren Rücken wieder zu Boden sinken. Drohend stand der Mann jetzt über ihr, die spitze Waffe immer noch gegen ihre Brust gedrückt.
»Sie können alles von mir haben«, presste sie hervor. »Wirklich alles.«
»Ich weiß«, erwiderte er, »die Sühne wird vollkommen sein.«
Irgendetwas in seiner Stimme ließ sie erschauern. Trotz der bohrenden Schmerzen reifte in ihr langsam die Erkenntnis, dass dieser Mann keine Gnade kannte. Sie begann zu schreien. Für einen Augenblick wirkte er irritiert, doch dann drückte er seine linke Hand auf ihren Mund. Ihr Schrei erstickte. Mühsam rang sie nach Luft. Während sie versuchte, die Nasenlöcher über seine Hand zu heben, spürte sie, wie die spitze Klinge über ihre Brust fuhr. Da sie fürchtete, die Klinge könnte tief in sie eindringen, wagte sie nicht, sich zu bewegen. Angst und Schmerz lähmten ihre Gedanken, dennoch nahm sie wahr, wie die Waffe zuerst ihre Kleidung zerfetzte und dann über ihre Haut fuhr. Er ritzt mir ein Herz ein, dachte sie. Es war ihr letzter Gedanke.
Als sich der Kreis geschlossen hatte, bewunderte er für einen Augenblick sein Kunstwerk, dann stieß er ihr den Dolch mitten ins Herz. Angewidert zog er die Waffe aus ihrem Körper, wischte sie mit einem Küchentuch ab und verstaute beides in dem Rucksack, den er neben ihrem Wagen abgestellt hatte.
»Bis dass der Tod euch scheidet«, murmelte er.
Befriedigt schaute er noch einmal auf die tote Eva Maria Garden. Nachdem er sich umgezogen hatte, öffnete er das Garagentor. Sie hatte es nicht besser verdient, genau wie die anderen. Mit Genugtuung dachte er daran, dass er nun einen weiteren Namen von seiner Liste streichen konnte.
Müde stieg Mark Milton die Stufen zu seiner Wohnung hoch, die in der ersten Etage eines Mietshauses südlich des Duisburger Hauptbahnhofes lag. Er hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, mit schwierigen Patienten und viel Bürokratie wegen der Kassenabrechnungen, die ohnehin nur wenig abwarfen, und hoffte auf irgendeine Art Ausgleich, den es leider nicht geben würde. Susanne war wieder zurück, aber um diese Zeit
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