Die Sünderinnen (German Edition)
zugeknallt und Pielkötter bei dem Verhör allein gelassen, aber diesen Triumph wollte er seinem Chef nicht gönnen. Lieber verdrehte er in einem unbeobachteten Moment die Augen und machte ansonsten gute Miene zum bösen Spiel.
»Ganz wie Sie wünschen«, erwiderte er mit einem leichten Anflug von Ironie. Bewusst langsam schlenderte er auf den einzigen freien Stuhl zu.
»Irgendwie stehe ich immer noch unter Schock«, erklärte Bodenthal, nachdem die Formalitäten geklärt waren. »Mein Arzt ist auch strikt gegen dieses, also dieses Verhör. Aber wenn ich dazu beitragen kann. Ich meine, dass Babsis Mörder so schnell wie möglich gefasst wird.«
Pielkötter räusperte sich. »Immerhin haben Sie die Tote entdeckt.«
»Ja, ich habe sie mit eigenen Augen gesehen«, erklärte Bodenthal sichtlich bewegt. »Trotzdem kann ich es immer noch nicht fassen. Ich habe auch direkt wieder weggeschaut. Konnte den Anblick einfach nicht ertragen. Das viele Blut.«
Entweder ist der wirklich noch voll durch den Wind, dachte Pielkötter, oder der Mann spielt einfach genial.
»Haben Sie Barbara Winkler denn nicht berührt?«, fragte Barnowski. »Ihre Geliebte hätte immerhin noch leben können, vielleicht einen Notarzt gebraucht.«
»Nein, nein«, murmelte Bodenthal kaum hörbar. »Babsi war ganz sicher tot. Das viele Blut. Ich glaube, ich habe auch ihren Namen gerufen. Mehrmals. Aber mit Sicherheit kann ich das nicht sagen.«
»Sie hätte ja auch nur ohnmächtig sein können«, beharrte Barnowski. Augenblicklich fing er sich einen strafenden Blick von Pielkötter ein, den er nicht ganz deuten konnte.
»Sie haben Ihre Geliebte also mehrmals gerufen. Was taten Sie danach?«
»Eine Weile habe ich wie erstarrt vor ihr gestanden, unfähig mich zu rühren. Irgendwann bin ich aus der Lethargie aufgewacht und hinausgerannt.«
»Haben Sie nicht daran gedacht, direkt die Polizei zu verständigen?«
»Doch, aber ich habe es nicht länger in der Wohnung ausgehalten. Ich bin hinausgerannt und habe mich in meinen Wagen gesetzt. Von dort habe ich angerufen. Dann bin ich nach Hause gefahren.«
»Und haben sich direkt von Ihrem Arzt behandeln lassen«, ergänzte Barnowski wieder leicht ironisch.
»Für Sie mag der Anblick einer Leiche Routine sein«, verteidigte sich Bodenthal plötzlich mit unerwartet fester Stimme. »Aber nicht für mich. Zudem habe ich die Babsi wirklich geliebt.«
Warum musste Barnowski den Zeugen jetzt unnötig provozieren? Ärgerlich stach Pielkötter die Spitze seines Füllfederhalters in den Notizblock, auf dem er sich eine Handvoll Notizen gemacht hatte. Zwar wurde das Gespräch mit Bodenthals Einverständnis aufgezeichnet, trotzdem hielt er das schriftliche Fixieren einiger Stichpunkte für wichtig.
»Wann waren Sie denn mit Barbara Winkler verabredet?«, bemühte er sich wieder um eine neutrale Atmosphäre. »Und wie sind Sie in die Wohnung gelangt?«
»Meines Wissens haben wir keinen genauen Zeitpunkt ausgemacht. Zeiten kann ich mir sowieso nicht merken. Ich wollte einfach gegen Abend bei ihr vorbeischauen. Ja, genauso war es.« Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch das volle, lange Haar.
»Hatten Sie einen Schlüssel zu Barbara Winklers Wohnung oder war die Wohnungstür offen?«, kam Pielkötter auf seine zweite Frage zurück.
Nachdenklich fixierte Bodenthal die gegenüberliegende Wand, als erwarte er dort eine Art gedruckter Botschaft.
»Ich muss den Schlüssel benutzt haben«, erwiderte er schließlich. »Die Wohnungstür stand ganz sicher nicht offen. Warten Sie, jetzt erinnere ich mich genau. Ich habe geschellt. Aber Babsi hat mir nicht geöffnet. Ich habe mich noch darüber gewundert. Sie hat immer aufgemacht ohne groß zu fragen, wer da ist. In der Beziehung ist sie so leichtsinnig wie ich.«
Mit gerunzelter Stirn notierte sich Pielkötter diesen Umstand.
» War sie so leichtsinnig«, korrigierte Barnowski. Irgendetwas trieb ihn an, Kritik zu üben. Als er darüber nachdachte, erkannte er, dass ihn Pielkötter samt der ganzen Vernehmungssituation weitaus mehr provozierte als Bodenthal, dieses Würstchen.
»Sicher hat Babsi ihren Mörder selbst hereingelassen«, erklärte dieser nun aufgebracht. »Sie hat ahnungslos geöffnet, weil sie mich erwartet hat.«
»Wie lange kannten Sie Barbara Winkler?«
»Nun ja, schon länger, einige Jahre. Ich bin Maler und habe öfter Bilder in ihrer Galerie ausgestellt, natürlich auch verkauft. Aber Sie wollen sicher wissen, wie lange unser Verhältnis
Weitere Kostenlose Bücher