Die Sünderinnen (German Edition)
noch einmal klar. »Das Opfer war nicht gerade zierlich, und wir haben keine Spuren eines Betäubungsmittels gefunden. Trotzdem werden wir uns diese Tanzlehrerin natürlich einmal ansehen. Zudem muss sie Bodenthals Aussage ja bestätigen.«
»Wissen Sie, was mich wundert?«
Pielkötter schüttelte leicht den Kopf.
»Bodenthal hat uns gar nicht gebeten, vor Tanja Hofstein sein Verhältnis zu dem Mordopfer zu verschweigen.«
»Vielleicht keine ernste Angelegenheit mit den beiden. Aber darüber sollten wir nicht weiter diskutieren, bis Sie die Dame persönlich in Augenschein genommen haben.«
Barnowski fasste das als Zeichen auf, dass das Gespräch nun endlich beendet war. Erleichtert erhob er sich, nickte noch einmal in Pielkötters Richtung und verschwand mit einem leisen Seufzen.
Barnowski parkte seinen Dienstwagen mit Blick auf den Rhein. Nicht allzu weit vor ihm führte die Ruhrorter Brücke über den Fluss nach Homberg. Zuerst hatte er überlegt, den Wagen in dem kleinen Gässchen der Ruhrorter City abzustellen, in der Tanja Hofstein wohnte. Schließlich wollte er jedoch lieber einige Schritte zu Fuß zurücklegen. Der Wind hatte gedreht, und es wehte eine recht frische Brise aus Richtung Nordost herüber. Kälte machte Barnowski jedoch nichts aus, im Gegenteil.
Während er zur Rheinpromenade lief, um sich das in den Lokalnachrichten angesagte Hochwasser genauer anzusehen, dachte er an den nächsten Sommerurlaub. Gabriela wollte unbedingt auf eine griechische Insel, und das Ende August. Wenn er nur an die Hitze dachte, fiel ihm die Vorfreude schwer. Nun, die Angelegenheit betrachtete er nicht gerade als ausdiskutiert. In einem günstigen Moment, dabei schwebte ihm eine heiße Liebesnacht vor, würde er Gabriela schon von den Vorzügen einer einsamen Hütte in den Bergen überzeugen oder einer lauschigen Bucht in den schwedischen Schären.
Inzwischen hatte Barnowski die Balustrade erreicht, von der aus man einen guten Blick sowohl auf das rechtsrheinische als auch auf das linksrheinische Ufer hatte. Neugierig schaute er auf die Wasseroberfläche, die ihm verdächtig nah erschien. Er überlegte kurz, ob er sich einen kleinen Spaziergang auf der Promenade gönnen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Schließlich war er dienstlich hier. Daran änderten auch seine immer noch zahlreichen unbezahlten Überstunden nichts. Eilig wandte er sich stadteinwärts.
Nach einem kleinen Fußmarsch erreichte er Tanja Hofsteins Adresse. Die alten Häuser in der kleinen Straße ähnelten sich, neben ihrer Haustür prangte jedoch ein monströses Messingschild. Ballettunterricht für Kinder und Erwachsene, las Barnowski, Einzelunterricht auf Anfrage. Nur gut, dass Gabriela keine solchen Flausen im Kopf hatte, die fixe Idee mit der griechischen Insel inklusive Malkurs strapazierte seine Nerven wahrlich genug. Als der Summer ertönte, drückte er kräftig gegen die Haustür. Missmutig stieg er die wenigen Stufen bis zu der ersten Wohnung hoch.
Im Türrahmen stand eine Frau, die offensichtlich Tanja Hofstein sein musste. Zumindest sah sie genauso aus, wie er sich eine Balletttänzerin immer vorgestellt hatte. Sie war derart mager, dass ihre spitzen Knochen überall hervortraten. Zudem hatte sie das lange, dunkle Haar im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden. Ihre Gesichtszüge erschienen Barnowski eher durchschnittlich, nur die großen, ausdrucksvollen Augen über den hohen Wangenknochen faszinierten ihn. Jedenfalls konnte er sich kaum vorstellen, warum Bodenthal Barbara Winkler mit dieser Dame betrogen hatte. Es sei denn, ihre tänzerische Ausbildung befähigte sie zur praktischen Umsetzung des Kamasutras. Bei diesem Gedanken musste er innerlich lächeln.
Eilig stellte er sich vor, wobei er seine Dienstmarke zeigte. Tanja Hofstein führte ihn in einen Raum, von dem er kaum glauben konnte, dass es ein Wohnzimmer war, und wies ihm einen Platz auf einem weinroten Plüschsofa an. Ungeniert schaute Barnowski sich um, betrachtete verwundert die Utensilien, die man eher auf einer Bühne als in einer Privatwohnung vermutet hätte. Wallende Ballroben auf eigens dafür angefertigten Kleiderständern, dazu ein weißes Klavier. Vielleicht auch ein Flügel. In solchen Dingen kannte er sich nicht so aus.
»Tee?«, fragte Tanja Hofstein, noch bevor er die Inspektion dieses eigenartigen Raumes beendet hatte.
Verstohlen schielte Barnowski zu dem niedrigen Couchtisch, auf dem Teekanne, Tasse und Zuckerdose standen. »Nein danke«,
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