Die Sünderinnen (German Edition)
erwiderte er. Mit geschultem Blick hatte er festgestellt, dass Spülen nicht gerade zu den Stärken dieser Frau zählte. Unbeeindruckt von seiner Ablehnung goss Tanja Hofstein sich selbst eine Tasse Tee ein und sah ihm gespannt entgegen.
»Wir ermitteln wegen eines Tötungsdeliktes«, sagte Barnowski. »Eine Frau Namens Barbara Winkler ist ermordet worden.«
»Ich weiß«, entgegnete sie und strich sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus der hohen Stirn. »Frederik, ich meine Herr Bodenthal, hat mir davon erzählt.«
»Dann wissen Sie sicher auch, dass er das Opfer gefunden hat. Zudem hat Herr Bodenthal ausgesagt, vorher bei Ihnen gewesen zu sein.«
»Das ist richtig«, antwortete Tanja Hofstein und gönnte sich einen Schluck von dem offensichtlich noch heißen Tee.
Merkwürdigerweise schien sie die Tatsache, dass ihr Geliebter eine andere Frau besucht hatte, nicht zu stören.
»Erinnern Sie sich, wann Herr Bodenthal Sie verlassen hat?«
»Kurz vor neunzehn Uhr.«
»Sind Sie sicher? Immerhin ist der Mord einige Tage her.«
»Absolut«, entgegnete sie. »Das war immerhin ein Montag. Montags gebe ich immer um neunzehn Uhr Unterricht für Berufstätige. Frederik ist erst kurz vorher gegangen. Deshalb hatte ich schon Angst, nicht früh genug fertig zu werden. Natürlich wollte ich vor meinen Schülerinnen nicht so ausschauen, als hätte ich eben noch im Bett gelegen.«
»Verständlich«, brummte Barnowski und schüttelte innerlich den Kopf.
»Wann ist Barbara Winkler denn ermordet worden?«
»Hundertprozentig genau kann man das nicht sagen. Jedenfalls kommt Herr Bodenthal rein vom Zeitpunkt her noch als Mörder in Betracht.« Mist, das hätte er ihr vielleicht gar nicht sagen dürfen. Was, wenn sie später ihre Aussage widerrief und Bodenthal ein Alibi gab? Er hatte ja nicht einmal einen Zeugen für das Gespräch. Pielkötter würde so was von sauer sein.
»Aber das ist doch lächerlich«, erwiderte Tanja Hofstein empört. »Frederik kann nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun.«
»Immerhin hat er die Tote gefunden. Wundern Sie sich nicht darüber, was er bei ihr gewollt hat?«
»Wieso sollte ich mich wundern?«, erwiderte sie mit einem süffisanten Lächeln. »Sie war seine Geliebte. Das wusste ich doch.«
Verwirrt studierte Barnowski Tanja Hofsteins Mimik. Er war wahrlich kein Psychologe, aber wenn diese Frau ihre unglaubliche Gelassenheit nur vorspielte, dann müsste er sich schon sehr täuschen.
»Sie wussten also, dass Herr Bodenthal neben Ihnen noch eine weitere Liebschaft pflegte?«, fragte Barnowski irritiert. »Wollen Sie wirklich andeuten, dass Ihnen das nichts ausmachte? Zumal er offensichtlich von Ihrem Bett direkt ins nächste hüpfte.«
»Wohl Spießer?«, entgegnete Tanja Hofstein immer noch mit diesem Lächeln, das Barnowski mittlerweile als penetrant einstufte. »Ich verlange keinerlei Treueschwüre von meinen Liebhabern. Sie müssen einfach nur gut sein.«
»Ja, wenn das so ist, dann war oder ist Bodenthal also gut.«
»Nun, Barbara Winkler hat das wohl auch so gesehen. Nur war sie etwas kleinlicher als ich.«
»Wie darf ich das verstehen?«, fragte Barnowski, nun auf alles vorbereitet.
»Sie hätte meine Existenz wohl nicht akzeptiert«, antwortete Tanja Hofstein. »Jedenfalls hat Frederik ihr nichts von mir erzählt. Aus Angst, sie könnte das Verhältnis beenden.«
»So, so.« Unwillkürlich schüttelte Barnowski den Kopf. Normalerweise hielt er sich für sehr tolerant, aber die Einstellungen dieser Tänzerin widersprachen seinem eigenen moralischen Kodex. In diesem Moment musste er an Pielkötter denken, der vermutlich noch weitaus weniger Verständnis für die Haltung von Hofstein und Bodenthal gehabt hätte.
»Sie selbst haben jedoch nie daran gedacht, das Verhältnis zu Ihrem Geliebten zu beenden?«
»Im Grunde genommen kann man nicht einmal von einem Verhältnis sprechen«, erklärte Tanja Hofstein und zündete sich eine Zigarette an, die sie aus einer unsichtbaren Tasche ihrer weiten Tunika gefingert hatte. »Wir haben uns vor ewigen Zeiten kennengelernt und gehen seither immer mal miteinander ins Bett, wenn uns danach ist, manchmal selten und dann wieder häufiger. Das war aber auch schon alles. Irgendwelche Verpflichtungen sind daraus nie entstanden.«
Barnowski gewann den Eindruck, dass sie den Rauch absichtlich in seine Richtung blies.
»Übrigens bringt mir Frederik das gleiche Verständnis entgegen«, fuhr sie fort, während sie die Asche in einen
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