Die Sünderinnen (German Edition)
wieder zu Hause blicken.«
»Mit Sebastian?«
Pielkötter brummte irgendetwas Unverständliches, zuckte hilflos mit den Schultern und verschwand.
Die Luft in der Tiefgarage stank nach Abgasen und erinnerte ihn an kalten Rauch. Seit zwei Abenden wartete er vergeblich darauf, seine Mission endlich voranzubringen. Marion Karsting hatte ihren Wagen entweder draußen abgestellt oder sie hatte sich hier unten zu einer Zeit blicken lassen, in der jeden Moment missliche Zeugen auftauchen konnten. Natürlich hatte er erwogen, seinen Plan umzustellen und sie in ihrer Wohnung zu überwältigen, aber er hatte nicht mit ihrer Vorsicht gerechnet. Direkt nach dem Überfall hatte sie ein Sicherheitsschloss einbauen lassen. Jedenfalls nahm er das an, weil es sehr neu aussah. Der Einstieg durch ein Fenster aber war unmöglich, denn ihre Wohnung lag in der dritten Etage.
Einmal hatte er es sogar mit einem Trick versucht. Als Hausmeister verkleidet hatte er um Einlass gebeten. Angeblich um die Heizungen zu kontrollieren. Marion Karsting hatte die Wohnungstür nur einen Spalt breit geöffnet, nicht einmal halb so weit, wie die von innen angebrachte Sicherheitskette dies erlaubte. Während sie ihm erklärt hatte, dass die Heizkörper vollkommen in Ordnung seien und sie sich an die Hausverwaltung wenden würde, sollte mal ein Problem auftreten, hatte er sich schnellstens aus ihrem Blickfeld zurückgezogen. Zwar hatte er eine andere Perücke auf und die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen, aber er wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Auch jetzt noch grübelte er darüber nach, ob sie ihn aus reiner Vorsicht nicht in ihre Wohnung gelassen hatte. Oder hatte er einfach einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt? Jedenfalls hatte er nicht vor, es noch einmal auf diese Art und Weise zu versuchen. Mit etwas Glück würde das Warten sogar heute ein Ende finden.
Mittlerweile war es kurz vor dreiundzwanzig Uhr und der Fiat Panda von Marion Karsting stand immer noch nicht in der entsprechenden Parkbucht. Er rauchte selten, zählte sich selbst zu den nicht süchtigen Genussrauchern, aber jetzt verspürte er den unwiderstehlichen Drang nach einer Zigarette. Vergeblich versuchte er, eine der leichten Filterzigaretten anzuzünden, die er heute zur Beruhigung in der Brusttasche trug. Seine Finger zitterten. Dieses untätige Warten bekam ihm nicht. Als die Flamme endlich aufglühte, sog er das Nikotin gierig in seine Lungen. Während er abwechselnd den aufsteigenden Rauch und die Zufahrt zur Tiefgarage beobachtete, überdachte er noch einmal die Details seines Plans.
Die abwaschbare Gummischürze, die er in einem Plastikbeutel mit sich führte, würde er überziehen, sobald Marion Karstings Wagen die Schranke passierte und nach unten rollte. Von seiner Position aus konnte er die Einfahrt gut überblicken. Allerdings musste er von dort eine gewisse Strecke bis zu ihrer Parkbucht zurücklegen. Dabei war die Gummischürze ein wenig hinderlich, aber er mochte weder auf diesen Schutz verzichten, noch würde er später Gelegenheit haben, sie überzuziehen. Plötzlich fesselten Motorengeräusche seine Aufmerksamkeit. Eilig warf er die Zigarette auf den Boden, danach trat er sie mit dem Fuß aus. Zur Sicherheit hob er die Kippe auf und ließ sie in seiner Jackentasche verschwinden. Als er einen dunkelblauen Fiat erblickte, zitterte er vor Erregung. Zeit für die letzten Vorbereitungen, dachte er und öffnete die Plastiktüte.
Gewohnt sachlich beendete der Sprecher die 23-Uhr-Nachrichten. Als Tina Turner aus den Boxen dröhnte, stellte Marion Karsting das Autoradio lauter. »Simply the best« war ihr Lieblingslied, auch wenn sie mit dem Text nicht viel anfangen konnte. Ihr Mann Klaus Eberhard jedenfalls konnte damit nicht gemeint sein. Seit der Trennung hatte sie ihm wirklich keine Träne nachgeweint. Zwar hatte es lange gedauert, bis sie bereit war, sich von ihm zu lösen, zu lange, wie sie im Nachhinein fand, aber dafür wusste sie nun genau, dass dieser Schritt unumgänglich war. Zumindest, wenn sie jeden Morgen beruhigt in den Spiegel blicken wollte. Natürlich war ihr die Umstellung zunächst nicht ganz leichtgefallen, aber inzwischen hatte sie sich in dem kleinen Appartement in Duisburg-Mündelheim recht gut eingelebt und freute sich jedes Mal, wenn sie ihr eigenes Reich betrat, in dem ihr niemand mehr wehtun konnte. Zudem hatte sie ihren Teilzeitjob in einer Buchhandlung angetreten und sich einen kleinen Bekanntenkreis geschaffen, sogar ein, zwei
Weitere Kostenlose Bücher