Die Sünderinnen (German Edition)
versetzte. Niemals hatte er seinen Chef in diesem Zustand erlebt und irgendwie fürchtete er einen krassen Wechsel von Pielkötters Stimmung.
»Also alle drei ermordeten Frauen haben sich innerhalb einer Zeitspanne von zwei Jahren vor der Tat von ihren Ehemännern getrennt«, fuhr Pielkötter fort. »Zudem wissen wir definitiv, dass Opfer Nummer eins und Opfer Nummer drei von Mark Milton behandelt wurden. Bei Eva Maria Garden besitzen wir darüber zwar keine Information, aber mein Instinkt sagt mir, dass auch Opfer Nummer zwei Miltons Patientin war. Ich werde ihn einfach damit konfrontieren, dass wir diese Tatsache herausgefunden haben.«
»Aber das ist doch noch gar keine Tatsache«, wandte Barnowski ein. Am liebsten hätte er Pielkötter nun die eigenen klugen Ratschläge um die Ohren gehauen, aber das wollte er lieber doch nicht riskieren, jedenfalls nicht in dieser ungewohnt euphorischen Stimmung, die jeden Moment auch wieder umschlagen könnte.
»Nun, wenn diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht, wird Milton lautstark protestieren. Nur wird das nicht der Fall sein. Vertrauen Sie auf mein Gespür.«
Wenig überzeugt nippte Barnowski an seinem Kaffee. Das Gebräu war für seinen Geschmack viel zu stark und vor allen Dingen lauwarm. Schädlich für den Magen, dachte er, wahrscheinlich genauso schädlich wie diese leidige Diskussion.
»Jetzt frage ich Sie«, hob Pielkötter wieder Augenbrauen und Stimme, »wer wusste von dem gemeinsamen Schicksal der drei Frauen? Ich meine, vor ihrer Ermordung. Immerhin konnten wir keinerlei Verbindungen untereinander nachweisen. Nur ihr Psychologe kannte ihre Geschichte.«
»Stimmt schon«, brummte Barnowski. »Die Theorie hat was. Dennoch müssen wir erst einmal beweisen, dass Eva Maria Garden auch bei ihm in Behandlung war. Und dann sein Motiv. Warum sollte er seine Patientinnen ermorden?«
»Liegt auf der Hand. Seine Frau hat Ihnen gegenüber doch eine bevorstehende Trennung angedeutet.«
»Warum hat er dann nicht direkt seine eigene Frau umgebracht?«, wagte Barnowski einen erneuten Einwand.
»Aber genau das hat er höchstwahrscheinlich.«
Barnowski musterte Pielkötter mit einem Blick, den man mit bestem Willen nicht gerade als intelligent bezeichnen konnte. »Wie? Wieso? Seine Frau lebt doch noch?«
»Jedenfalls seine zweite«, korrigierte Pielkötter. »Soweit ich aber herausgefunden habe, ist seine erste nicht gerade unblutig ums Leben gekommen. Man hat ihm nur nichts nachweisen können. Hier im Haus gibt es sogar eine Akte über den Fall. Das hätte Ihnen eigentlich bei Ihren Recherchen auffallen müssen.«
»So weit war ich noch nicht, ich habe erst einmal im Terrain ermittelt«, gab Barnowski kleinlaut zu.
Pielkötter stieß hörbar die Luft aus. Ihm war bekannt, dass sein Mitarbeiter vom Aktenstudium nicht viel hielt.
Barnowski war viel zu gefesselt vom Fortschritt der Ermittlungen, als dass er sich lange mit seinem Schnitzer aufgehalten hätte. »Jetzt verstehe ich nur eines noch nicht. Warum hat Marion Karsting Milton im Wald nicht erkannt?«
»Immerhin war der Täter mit einem schwarzen Strumpf maskiert« erwiderte Pielkötter ärgerlich. »Zudem glaube ich einfach nicht, dass der Überfall auf das Konto des Mörders geht. Für mich sind das zwei Paar Schuhe. Dieser Überfall passt doch überhaupt nicht ins Profil. Denken Sie nur an den Tatort.«
»Wurde Miltons erste Frau eigentlich auch erstochen?«
»Nicht direkt.«
Bevor Barnowski genauer nachfragen konnte, wie man indirekt erstochen werden konnte, wurden sie durch ein zaghaftes Klopfen unterbrochen. Wie auf Kommando sahen er und Pielkötter zur Tür.
»Ich bin etwas zu früh«, erklärte Mark Milton statt einer Begrüßung.
»Kein Problem«, erwiderte Barnowski. »Am besten setzen Sie sich an den runden Tisch dort in der Ecke.«
Unsicher blickte Mark Milton zu dem schlichten Holztisch, der direkt vor einem Fenster mit halb verdorrten Topfblumen stand. Er fühlte sich alles andere als wohl. Schon bei der ersten Befragung in seiner Praxis hatte ihn Pielkötter hart rangenommen und bei dem letzten Telefonat hatte der Kriminalhauptkommissar kaum Zweifel daran gelassen, wen er für den Täter hielt. Ein anderer hätte die ruppige Art vielleicht Pielkötters Charakter zugeschrieben, aber immerhin war Mark nicht umsonst Psychologe. Nachdenklich setzte er sich auf einen Stuhl. Von dieser Position aus konnte er aus dem Fenster sehen. Normalerweise platzierte er sich immer so, dass er in den
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