Die Sünderinnen (German Edition)
so direkt gesagt hat. Seltsamerweise hat sie gelästert und gelästert und dann plötzlich mitten im Satz abgebrochen.«
»Was für ein Satz?«
»Genau weiß ich das nicht mehr. Hatte aber was mit einer Lea zu tun. Und dann das mit Lea, oder so was in der Art. Natürlich habe ich nachgefragt, aber die wollte nicht raus mit der Sprache. Wahrscheinlich hat Milton eine Geliebte.«
»Ich werde mich höchstpersönlich darum kümmern«, erwiderte Pielkötter ohne den von Barnowski erwarteten Vorwurf in der Stimme. »Und während Sie dafür sorgen, dass wir schnellstens Zugang zu Miltons Akten bekommen, verständige ich Staatsanwalt Karsting über den Tod seiner Frau. Natürlich können wir auch die Arbeit tauschen, und Sie übernehmen diese Aufgabe.«
Eilig schüttelte Barnowski den Kopf. Es wurde höchste Zeit, aus der Reichweite seines Vorgesetzten zu verschwinden. Dessen relativ gute Laune hatte schon erstaunlich lange angehalten. Nachher überlegte sich Pielkötter die Aufgabenteilung wirklich noch. Staatsanwalt Karsting konnte Barnowski jedenfalls noch nie ausstehen, und die Überbringung von unerwarteten Todesnachrichten erst recht nicht.
»Soll ich Sie nicht fahren?«, fragte Pielkötter verdutzt, als Barnowski sich zum Gehen wandte.
»Nicht nötig. Ein kleiner Fußmarsch in der morgendlichen Kälte ist gut für den klaren Kopf.«
Seufzend beglich Pielkötter die Rechnung.
Endlich kommen die Ermittlungen voran, dachte Pielkötter, nur schade, dass dafür ein drittes Opfer nötig war. Ein Blick auf seine Armbanduhr versicherte ihm, dass er Klaus Eberhard Karsting noch zu Hause antreffen würde. Es war allgemein bekannt, dass der Staatsanwalt selten vor neun Uhr in seinem Büro erschien. Zudem war es Pielkötter sowieso lieber, ihm die traurige Nachricht in häuslicher Atmosphäre zu überbringen. Sicherlich würde Karsting, auch wenn er über den Angriff auf seine Frau nicht gerade schockiert gewirkt hatte, dann gar nicht erst auf seiner Dienststelle erscheinen. Wer könnte ihm das verdenken? Mord gehörte schließlich doch zu einer anderen Kategorie.
Bestimmt hatte Marion Karsting in ihren letzten Minuten Schreckliches durchgemacht. Zumal sie sicher noch angeschlagen war von dem brutalen Überfall im Wald. Den hatte sie ja noch nicht einmal mit psychologischer Hilfe verarbeiten können. Der letzte Gedanke machte ihn wütend. Was aber, wenn der Psychologe selbst zum Mörder seiner Patienten wurde? Einfach pervers, dachte Pielkötter, passt jedoch genau zum Täterprofil. Übergriffe auf Hilfebedürftige hatten ihn schon immer empört, besonders wenn der angebliche Helfer zum Täter mutierte.
Plötzlich fiel ihm ein, dass er die genaue Privatadresse von Karsting gar nicht kannte. »Lässt schwer nach, alter Junge«, brummte er in sich hinein, doch sofort hielten einige graue Zellen in seinem Kopf dagegen. Schließlich hatte er die ganze Nacht durchgearbeitet, sogar erstmalig mit einem gewissen Erfolg. Seufzend rief er im Präsidium an und erkundigte sich, wo Karsting wohnte. Moselstraße. Das war doch im Viertel unmittelbar hinter dem Duisburger Theater, aber nach seiner Erinnerung lebte der Mann irgendwo in der Nähe der Universität. Vielleicht vor der Trennung, überlegte Pielkötter, während er in seinen Wagen stieg.
Wie erwartet brauchte er im morgendlichen Berufsverkehr für den kurzen Weg fast fünfzehn Minuten. Barnowskis Entscheidung für einen kleinen Fußmarsch war offensichtlich keine schlechte Idee gewesen. Dafür fand Pielkötter einen Parkplatz fast direkt vor Karstings Haustür. Während er auf Einlass wartete, verschlechterte sich seine Laune. Schließlich überbrachte er denkbar schreckliche Neuigkeiten, sofern Karsting noch einen Funken Gefühl für seine getrennt lebende Frau hegte. Endlich ertönte der Summer, und Pielkötter stieg in die erste Etage hinauf.
»Ich dachte, Sie besäßen ein Haus«, wählte er nicht gerade die am besten geeignete Begrüßung.
»Das war vor der Trennung«, entgegnete Karsting und gähnte. Immerhin war er schon angezogen. »Wegen meiner Wohnverhältnisse suchen Sie mich jedoch nicht auf?«
»Nein«, antwortete Pielkötter ernst. »Es tut mir sehr leid, aber ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Ihre Frau ist in der Nacht ermordet worden.«
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er immer noch an der Tür stand, ebenso wie Karsting, der nun doch eine Spur blasser zu werden schien. Warum hatte er nicht mit der Information gewartet, bis Karsting irgendwo
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