Die Sünderinnen (German Edition)
Abend auch nicht allein. Sonst würden Sie mich womöglich für den Serienmörder halten.« Karsting lachte kurz auf. Sein Lachen klang irgendwie hysterisch.
»Nun lassen Sie mal gut sein«, versuchte Pielkötter zu beschwichtigen. Eine Eskalation wollte er unbedingt verhindern. »Ich bin nicht hier, um Sie zu vernehmen. Ich wollte Ihnen die schreckliche Nachricht einfach selbst überbringen und mein Beileid ausdrücken.«
»Ich kann immer noch nicht ganz fassen, dass Marion wirklich tot sein soll. Wissen Sie, was das Schreckliche daran ist? Sie würde mit Sicherheit noch leben, wenn sie mich nicht verlassen hätte. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine, weil sie sich niemals am Tatort herumgetrieben hätte.«
»Herumtreiben ist sicher das falsche Wort«, wandte Pielkötter ein und trommelte mit seinen Fingern auf die Tischplatte. »Schließlich hat sie in diesem Haus gewohnt. Aber natürlich verstehe ich, was Sie meinen. Und ich glaube sogar, Sie haben Recht damit. Der Mörder hat Ihre Frau gezielt ausgesucht, weil sie sich von Ihnen getrennt hat.«
»Wieso sind Sie da so sicher?«, fragte Karsting erstaunt.
Pielkötter schwieg jedoch. Er hatte nicht einmal zugehört. Erregt sprang er plötzlich auf und lief zum geöffneten Fenster, als bekäme er sonst keine Luft mehr. Hastig sog er die kühle Luft ein, die durch den kleinen Fensterspalt drang. Trotz seiner Erregung fühlte er sich seltsam klar im Kopf. Bei aller gebotenen Vorsicht stand Mark Milton für ihn mit einem Mal als Mörder fest. Nach dem, was Barnowski ihm über Miltons scheiternde Ehe berichtet hatte, brauchten sie nicht einmal mehr nach einem Motiv zu suchen. Plötzlich ergaben alle Morde einen Sinn, ebenso die Auswahl der Opfer. Obwohl er noch nicht wusste, ob Eva Maria Garden tatsächlich Miltons Patientin war. Es stimmte zwar, dass er Barnowski immer vor solchen voreiligen Schlussfolgerungen warnte, aber der junge Schnösel besaß eben keinen kriminalistischen Instinkt.
»Ich war gestern den ganzen Abend in der Ratssitzung«, unterbrach Karsting seine Gedanken. »Da zerbrechen wir uns die Köpfe über Duisburgs Zukunft, und ich ahne nicht einmal, dass meine persönliche Hoffnung selbst keinerlei Zukunft mehr hat.«
Mit einer fahrigen Bewegung zündete er sich eine neue Zigarette an.
»Nach der Sitzung war ich übrigens noch mit einigen Ratsherren im Webster. Sie wissen schon, die Brauerei am Dellplatz. Wir haben dort bis nach Mitternacht weiter debattiert. Ich kann Ihnen gerne die Namen geben.«
»Jetzt kommen Sie erst einmal zur Ruhe«, erwiderte Pielkötter nachsichtig.
»Was ist mit Ihnen los? Sonst sind Sie doch auch nicht gerade zimperlich. Haben Sie etwa schon einen anderen als Mörder im Visier?«
Ohne Alibi würde der jetzt nicht so auftrumpfen, dachte Pielkötter verärgert. »Zumindest verfolgen wir inzwischen eine heiße Spur. Und damit die nicht kalt wird, muss ich mich jetzt verabschieden.«
Karsting zerquetschte den Rest seiner Zigarette im Aschenbecher, als handele es sich dabei um den Mörder seiner Frau höchstpersönlich. Schwerfällig erhob er sich und führte Pielkötter hinaus.
»Halten Sie mich mit Ihren Ermittlungen auf dem Laufenden. Und wegen der Aussage komme ich natürlich ins Präsidium.«
»Wussten Sie eigentlich, dass Ihre Frau in psychologischer Behandlung war?«, fragte Pielkötter, obwohl von der Antwort nicht viel abhing.
»Was heißt Behandlung? Sie hat ein paar Mal einen Psychologen aufgesucht, aber nichts von Bedeutung.«
»Sie wissen nicht zufällig, aus welchem Grund?«
»Irgendwelche Frauenprobleme.«
»Nun gut, das können wir vielleicht von diesem Psychologen selbst erfahren«, erwiderte Pielkötter. »Dann will ich Sie nicht länger stören. Nochmals herzliches Beileid.«
Frauenprobleme also, dachte er und stieg kopfschüttelnd in seinen Wagen. Dabei fiel ihm wieder die von Miltons Frau erwähnte Lea ein. Er musste unbedingt nachforschen, ob auch sie Probleme in die Arme des Psychologen getrieben hatten.
»Fassen wir die Fakten noch einmal zusammen«, sagte Pielkötter und zog seine Augenbrauen hoch und runter, und zwar im selben Rhythmus, in dem seine Finger nun auf der Schreibtischplatte herumtrommelten. »Dabei beschränke ich mich auf unsere drei Opfer und lasse erst einmal außen vor, was ich heute über Miltons Vergangenheit erfahren habe.«
Skeptisch beobachtete Barnowski seinen Vorgesetzten. Pielkötter wirkte fast ein wenig euphorisch, was Barnowski in Alarmbereitschaft
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