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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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seine Hand langsam in Richtung des kleinen Mädchens aus. »Es wäre sehr nett, wenn du mir die Figuren zeigen könntest«, sagte er. Das Mädchen blickte an seinem rechten Ohr vorbei.
    »Ich wäre sehr froh, wenn ich die Stöpsel sehen dürfte – ganz kurz nur.«
    In dem Moment, in dem er mit den Fingerkuppen die Faust der Kleinen berührte, begann sie zu brüllen. Die Mutter presste ihre Hände an die Ohren. Das Mädchen schrie sich die Seele aus dem Leib. Sein Blick ging dabei durch Kovacs’ Stirn hindurch. Es ist ihr komplett wurscht, ob ich froh bin oder nicht, dachte er.
    Der dicke Mauritz von der Spurensicherung war da, das sah Kovacs, als sie sich der Scheune näherten. Er hatte Lipp, Töllmann und Sabine Wieck offenbar zur Seite gescheucht und war dabei, die Absperrzone zu erweitern. Die Nebelbank war herangerückt. Der Himmel über ihnen war graugelb, und es hatte ganz leicht zu schneien begonnen.
    Kovacs wies Ernst Maywald und die beiden Kinder an, stehen zu bleiben. Katharina hatte zuvor weitergebrüllt und war mit ihrer Mutter im Haus geblieben. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun«, sagte der Vater. Er hatte ein Daunengilet übergezogen und zitterte trotzdem.
    Ein Stück von einer dunkelgrünen Kunststoffplane lag auf dem Gesicht von Sebastian Wilfert. Die Sache darunter war nicht zu erahnen. »Perfekt«, sagte Kovacs. »Ich habe alles fotografiert«, sagte Lipp, »aber dann war gleich die Spurensicherung da. Außerdem soll ich Ihnen ausrichten, dass Gasselik durch die Weihnachtsamnestie rausgekommen ist. Weil er so jung ist.«
    Kovacs drückte Mauritz die Hand. Sie gingen manchmal gemeinsam ins Stadion. »Was meinst du?«, fragte er. »Die Reifenspuren«, sagte Mauritz, »es könnte sein, dass ihm jemand über den Kopf gefahren ist. Aber du weißt, dass wir normalerweise nichts sagen …«
    »Bevor ihr nicht … erstens, zweitens, drittens – ja, ich weiß.«
    Wer fährt einem alten Mann über den Kopf?, fragte sich Kovacs. Er winkte Maywald und seine Kinder heran.
    »Ist das euer Großvater?«, fragte er. Die beiden Geschwister nickten. »Wofür ist das grüne Ding da?«, fragte Georg und deutete auf das Planenstück. »Jemand ist eurem Großvater übers Gesicht gefahren«, sagte Kovacs, »das ist kein schöner Anblick.« Das Mädchen schluckte mehrere Male. »Wofür zeigen die Beine nach oben?«, fragte der Bub. »Ich weiß es nicht«, sagte Kovacs, »er ist so dagelegen.« Er meint ›warum‹ und fragt ›wofür‹, dachte er, manche Leute tun das. »Er ist umgefallen und war tot«, sagte das Mädchen, »er war ein alter Mann.« Es schluckte mehrere Male. Dann begann es zu weinen. Der Vater nahm es in den Arm. »War es das, was Sie wollten?!«, fragte er, »mussten Sie es so deutlich sagen?!« Jetzt zittert er vor Zorn, dachte Kovacs, und er hat große Hände.
    Mauritz telefonierte. »Und ein Zelt«, hörte Kovacs ihn sagen. »Willst du hier übernachten?«, fragte er. Mauritz zeigte ihm den Vogel. Kovacs schaute nach oben: ab und zu eine Schneeflocke, nicht mehr. Trotzdem – Niederschläge waren der natürliche Feind der Spurensicherung, er wusste das.
    Sabine Wieck kam auf Kovacs zu. »Ich habe mir gedacht, ich schaue einmal in die Garage«, sagte sie.
    »Wozu?«
    »Vielleicht hat wirklich jemand das Auto gestohlen.« Sie lachte.

Vier
    Ich esse Kartoffelpüree mit gebackenen Zwiebelringen. Lore hat es gekocht. Es schmeckt ziemlich o.k., vor allem die Ringe. Trotzdem ist sie eine Polackenhure. Ich trinke lauwarmen Pfefferminztee. Auf dem Parkplatz fährt Gerstmann mit dem Schneepflug kreuz und quer und macht die Fläche frei. Es wird morgen wieder schneien, daher ist es völlig sinnlos. Gerstmann macht sinnlose Arbeit und bekommt dafür Geld von uns. Manchmal nimmt er sich einfach ein Auto und fährt damit in der Gegend rum. Er behauptet dann, das Auto muss eingefahren werden oder so. Vater sagt, nach Reiter, dem Verkaufschef, ist Gerstmann der wichtigste Mann in der Firma. Weil er den Überblick hat.
    Daniel ist wieder da. Er liegt in seinem Zimmer und schläft. Früher hat er nicht so lange geschlafen. Er sagt, er muss auftanken. Er sagt, nach vier gefickten Monaten Entbehrung muss er erst einmal so richtig auftanken.
    Die Klappe des Geschirrspülers klemmt. Ich lasse den Teller neben der Spüle stehen. Lore soll ihn wegräumen. Daniel sagt, sie betet zu Hause zu einem wundertätigen Heiligenbild, danach treibt sie es mit verschiedenen Männern. So machen es alle diese Polackenhuren.

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