Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
versprach er seinen Untertanen, er werde Estherfein, die Königin der Feen, in den Wäldern einfangen, sie in einen goldenen Käfig sperren und im Prachtsaal seiner neuen Festung zur Zierde aufhängen. Es folgten erbitterte Kämpfe zwischen Wargars Mannen und dem Feenvolk. Einmal gelang es Wargar fast, Estherfein zu fangen, doch im letzten Moment, bevor sie in die Festung geschleift werden sollte, gelang es ihr, sich zu befreien. Sie stürzte sich in einen dunkelblauen Teich, um darin zu verschwinden und nie mehr aufzutauchen. Mit ihr verschwand ihr Volk und zurück blieb nur ein rätselhaftes Leuchten, das heute noch im Schulgarten der Festung Sumpfloch zu sehen sein soll.
Thuna legte das Lexikon zur Seite und blickte hinunter in den Garten. Hatte es sich jemals so zugetragen? Vor vielen tausend Jahren? Wenn nicht, warum hatte sie dann von Estherfein geträumt? Sie wusste nicht viel von Feen, darum stand sie auf, um sich den Band ‚Fahnenfurcht – Fernwünschen’ zu holen. Als sie an ihren Platz zurückkehrte, hörte sie ein Flattern oberhalb des Fensters. In den Vorhängen hing eine kleine Fledermaus mit einer giftroten Nase. Es konnte sich also nur um eine Giftnasenfledermaus handeln, ein an sich harmloses Tier. Man durfte es nur auf keinen Fall an der Nase berühren. Hier war es nämlich giftig und wenn nicht rechtzeitig ein Gegengift gegeben wurde, konnte die Berührung lebensgefährlich werden. Thuna hatte aber keine Angst. Giftnasenfledermäuse waren scheue Tiere. Umso mehr war sie verwundert, dass dieses Tier seinen Weg in die Schulbibliothek gefunden hatte. Es fauchte ein bisschen, blieb aber dort oben hängen, ohne sich weiter zu bewegen, und so schlug Thuna ihr Buch auf, um den Artikel über Feen zu lesen.
Es gab die unterschiedlichsten Feenvölker. Völker mit kleinen oder großen, guten oder gefährlichen, hübschen und ganz hässlichen Feen. Alle Feenvölker hatten nur eine Gemeinsamkeit: Sie waren irgendwann vor mehreren tausend Jahren aus dieser Welt verschwunden. Manch ein Wissenschaftler zweifelte an, ob es sie jemals gegeben hatte.
Das klang enttäuschend. Thuna wollte das Buch schon wieder zuklappen, als ihr Blick auf einen der nächsten Einträge fiel, der da lautete: ‚Feen-Begabung’.
Hier stand, dass es außer Amuylett auch noch andere Welten gab – ja, davon hatte Thuna auch schon mal gehört. Normalerweise war es nicht möglich, diese Welten zu besuchen, doch gab es höchst schwierige, verbotene und geheime Zauber, mit denen man Lebewesen über die Weltengrenzen schubsen konnte. So hatte ein Wissenschaftler die Theorie aufgestellt, dass es zwar niemals Feen gegeben habe, doch solche Menschen, die aus anderen Welten gekommen waren und durch den Weltenwechsel die sogenannte Feen-Begabung erworben hatten: Sie konnten unter Wasser atmen, in den Gedanken anderer Menschen schwimmen und mit dem Licht der nächtlichen Gestirne zaubern.
Außerhalb des Fensters der Bibliothek begann es nun zu dämmern. Der Bibliothekszwerg stellte kleine Lichter auf die Tische. Thuna klappte das Buch zu, stellte es ins Regal zurück und verließ die Bibliothek. In den Gängen erschallte der Gong, der zum Abendessen in den Hungersaal rief.
Kapitel 4: Viperias Botschaft
Scarlett konnte Berry nicht ausstehen. Vom ersten Moment an war ihr dieses hübsche, normale, wohlerzogene Mädchen nicht geheuer gewesen. Natürlich versuchte Scarlett immer wieder, ihre bösen Gefühle zu unterdrücken. Sie gestand sich ein, dass sie wahrscheinlich nur neidisch auf Berry war. Wenn Berry wenigstens eingebildet oder unfair gewesen wäre – dann hätte Scarlett einen Grund gehabt, sie zu hassen. Aber so blieben die schlechten Gefühle an Scarlett hängen und sie litt darunter ebenso wie unter der Tatsache, dass sie wahrscheinlich eine Cruda war.
Scarlett riss sich zusammen, bevor sie den Hungersaal betrat. Heute Abend wollte sie freundlich sein. Die anderen Mädchen saßen schon am Tisch, nur Thuna fehlte noch. Heute Abend gab es so etwas Ähnliches wie Spagetti mit Tomatensoße, nur dass die Soße nicht rot, sondern braungrün war.
„ Was, bitte, steckt in dieser Soße?“, fragte Maria den haarlosen, weißäugigen Molchmenschen, der die Riesenschüsseln auf den Tischen ablud.
„ Gemüse“, antwortete er mit seiner dunklen, glucksenden Stimme.
„ Gemüse aus dem Sumpf?“, fragte Maria.
„ Kann sein.“
Der Molchmensch nickte ihr freundlich zu und ging zurück in die Küche, um die Schüsseln für den
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