Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
Spiegelfon weißes Licht auf Scarletts Gesicht strahlte. Das sah sehr gruselig aus. Scarlett betrachtete das Spiegelfon mit ihrem festen, furchtlosen Blick. Noch zeigte das Spiegelfon kein Bild, noch war keine Stimme zu hören. Doch dann wurde das weiße Licht auf Scarletts Gesicht rötlich und bläulich. Eine undeutliche Stimme drang aus dem Spiegel, klirrend, rauschend und heiser. Berry verstand nicht, was die Stimme sagte. Es musste etwas sein wie:
„ Wer bist du?“ oder „Wer wagt es?“
„ Meinen Namen musst du nicht wissen“, erwiderte Scarlett. Das verstand Berry ganz deutlich. „Sag mir lieber, wo du bist!“
Nun geschah, was geschehen musste. Scarlett konnte kaum damit gerechnet haben, dass die Cruda ihr etwas verraten würde. Scarlett musste gewusst haben, dass die Cruda angreifen würde. Noch einmal blitzte das Licht aus dem Spiegel hell auf. Berry sah, wie Scarlett geblendet die Augen schloss, dann wurde es dunkel, da das Licht im Spiegel erlosch. Scarlett fiel zu Boden, ebenso das Spiegelfon. Was nun kam, veranlasste Berry, sich ganz tief ins Gras zu ducken und fast mit Atmen aufzuhören. Denn aus den Schatten des Gartens kamen die Höllenhunde hervor, jene Geisterhunde, die zwischen den Welten laufen konnten und daher übergroße Entfernungen in kurzer Zeit durchwanderten. Wen sie berührten, den konnten sie mit sich nehmen. Berry wollte nicht berührt werden. Doch sie hörte, wie die Höllenhunde die ohnmächtige Scarlett packten. Als Berry es wagte, wieder den Kopf zu heben, waren die Höllenhunde verschwunden. Auch Scarlett war fort.
Berry kroch hinüber zu den Apfelbäumen und fand das Spiegelfon. Sie steckte es ein und holte es erst wieder hervor, als sie den ganzen langen Weg in ihr Zimmer zurückgelegt hatte. Als sie es dort im Schein einer Kerze betrachtete, erkannte sie, dass der Spiegel blind geworden war.
Wenig später hörte Berry, wie die Soldaten eintrafen. Sie machten eine Menge Krach, als sie rund um die Festung in Stellung gingen, sich gegenseitig Befehle zuriefen und einen Zaun am Ufer des Sumpfes errichteten, was lächerlich war angesichts von Höllenhunden, fliegenden Spionen und geifernden Greifmonstern. Wieder mal ertönte der 12-Schläge-Gong, der alle Schüler dazu aufrief, sich im Hungersaal zu versammeln. Allmählich hatte Berry tatsächlich Hunger, denn sie hatte heute noch gar nichts gegessen außer ein paar Keksen, die sie in ihrem Bibliotheksfach aufbewahrt hatte.
Doch im Hungersaal gab es erst mal kein Essen, sondern eine Ansprache von einem Gesandten der Regierung und danach eine Rede vom Hauptmann der Soldaten, der ihnen noch mal Anweisung gab, die Festung auf keinen Fall zu verlassen, nicht aufs Dach zu klettern, nicht alleine in den Keller zu gehen, alle Fenster geschlossen zu halten, keine Tiere oder andere Wesen hereinzulassen und so weiter und so fort …
Sehr viel interessanter als diese Reden fand Berry die Tatsache, dass Lisandra und Geicko immer noch nicht unter den Schülern zu finden waren. Das kam ihr inzwischen wirklich komisch vor. Als die Reden endlich fertig waren, gab es zum Abendessen nur ein vorgezogenes Frühstück – also trockenes Brot und Algensuppe, da die Bediensteten nicht in der Lage gewesen waren zu kochen bei der ganzen Aufregung.
An diesem Abend ging Berry alleine schlafen. Keine der Freundinnen war im Zimmer. Sie lag auf dem Bett und erst jetzt, da es so still war und so leer in diesem Raum, wurde ihr klar, dass sie glücklicher hätte sein können. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Freundinnen nicht verschwunden, sondern immer noch da gewesen wären! Berry hatte immer damit gehadert, dass sie nach Sumpfloch gehen musste. Doch jetzt wünschte sie sich, sie wäre einfach nur hier, zusammen mit den anderen vier, und es wäre alles in Ordnung. Vielleicht war das Leben in Sumpfloch viel besser und schöner gewesen, als sie es hatte zugeben wollen? Doch damit war es jetzt vorbei und jede Erkenntnis kam zu spät. Mit Thuna, Maria und Scarlett konnte es kein friedliches Leben mehr in Sumpfloch geben. Wo sie jetzt wohl waren?
Endlich öffnete sich doch noch die Tür. Sie wurde einen Spalt weit aufgeschoben und Berry setzte sich freudig auf. Sie glaubte, dass es Lisandra wäre, die hereinkommen würde. Doch das Geschöpf, das sich durch den offenen Türspalt zwängte, war sehr viel kleiner als Lisandra. Berry traute ihren Augen kaum: Es war Rackiné, der Stoffhase.
„ Oh Rackiné!“, rief Berry. „Ich bin so froh, dass du
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